Der Anfang vom Ende. Das 1:0 für Ungarn durch Ádám Szalai.

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Österreichischer Frust.

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Ungarische Freude.

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Fans im Freudentaumel. Leider nicht die Anhänger des ÖFB-Teams.

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Manche Augenblicke dauern eine Ewigkeit und/oder wirken lange nach. Ein solcher hat sich in der 31. Sekunde des Spiels zwischen Österreich und Ungarn ereignet. Da kam nach einem ungeahndeten Foul von Julian Baumgartlinger am Ungarn László Kleinheisler David Alaba an den Ball, tat noch drei Schritte und zielte mit links Richtung ungarisches Tor. Goalie Gábor Király (40), 30 Sekunden davor zum bisher ältesten Spieler im EM-Einsatz geworden, war geschlagen. Allein, der Ball klatschte von der Stange zurück. Der von Österreich erträumte EM-Auftakt nach Maß wurde also um ein paar Zentimeter verfehlt.

Ziemlich genau eineinhalb Stunden davor, um 16.31 Uhr, war der Mannschaftsbus beim Stade de Bordeaux vorgefahren, die Österreicher sind logischerweise auch ausgestiegen. Sie schauten drein wie immer, wirkten konzentriert, fokussiert. Sie wollten dem Außergewöhnlichen eine gewisse Normalität verleihen. Das Stadion füllte sich, es sollten rund 40.000 Zuschauer werden, die Sympathien waren relativ gerecht verteilt. In puncto Prominenz hatten die Ungarn die Nase vorne, Ministerpräsident Viktor Orbán war zugegen, Österreich konterte mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Um 17.11 Uhr betrat Tormann Robert Almer das Feld zum Aufwärmen, drei Minuten später folgte der große Rest. Jubel. Um 17.25 Uhr wurde "I am from Austria" von Rainhard Fendrich eingespielt, irgendwie schräg in Bordeaux, das gehört aber zur österreichischen Tradition.

Marcel Koller hatte eine halbe Stunde zuvor die Aufstellung öffentlich gemacht, keine Überraschungen, auch das ist eine Tradition, allerdings keine schräge. Martin Hinteregger war neben Aleksandar Dragovic in die Innenverteidigung gestellt worden.

Kurzes Showprogramm, überdimensionale Trikots auf dem Rasen, Hymnen, Kribbeln, Gänsehaut, um 18 Uhr Anpfiff durch den französischen Schiedsrichter Clement Turpin. Womit die Sehnsucht endgültig gestillt war, die EURO Wirklichkeit wurde.

Baumgartlinger überall

Und dann eben der nachwirkende Augenblick. Die 137. Partie gegen den Nachbarn wurde nach ihm so schwierig wie befürchtet. Die Ungarn, im Gegensatz zu den Österreichern nicht in allerbester Besetzung, vertrauten auf ihre defensive Stärke, setzten aber durchaus auch Akzente. Kleinheisler verlieh dem mit einem Schuss Ausdruck (4.). Baumgartlinger war überall und ständig, gute Kombinationen waren selten, Marko Arnautovic initiierte eine, die Alaba nicht gut genug für Király abschloss (10.). Österreich beherrschte das dann härter werdende Spiel, Zufall half zuweilen, er ist der launische Bruder der Ungenauigkeit. Nach einer Kopfablage von Marc Janko traf Zlatko Junuzovic zum Beispiel den Ball nicht ganz sauber, den Halbvolley parierte Király sehenswert (36.).

Nicht zufällig, dass Arnautovic die beste Aktion (mit der Ferse) einleitete, dann aber den Querpass Martin Harnik statt Janko servierte, der in weit bessere Position gestürmt war (41.). Die Ungarn warteten auf Konter, Kleinheisler servierte seinem Kapitän Balázs Dzsudzsák die Führung, doch der zog den Ball knapp am langen Eck vorbei (43.).

Sportdirektor Willi Ruttensteiner ortete ein gewisses Maß an Übermotivation, das Gegenteil wäre auch seltsam gewesen. Hälfte zwei begann verheißungsvoll. Janko rutschte knapp an einem Stanglpass von Alaba vorbei (49.), Dzsudzsák anwortete mit einem Kracher, der Almer schwer prüfte (54.). Schwer geprüft auch Junuzovic, der schon vor der Pause eine Knöchelblessur erlitten hatte und nach einer Stunde geknickt Marcel Sabitzer weichen musste.

Kurz danach wurde auch der Rest geknickt. Kleinheisler und Ádám Szalai spielen per Doppelpass Österreichs Abwehr aus. Christian Fuchs hebt das Abseits auf und Szalai schiebt den Ball an Almer vorbei ins ungarische Glück (62.). Als Dragovic wenig später vom linienlosen Referee eine allerdings vertretbare Ampelkarte kassiert, mit Gelb-Rot also vom Feld muss (66.), nimmt Österreichs Spiel verzweifelte Züge an – ohne Janko, für den Rubin Okotie kam. Sabitzer (73.) und Alaba (84.) vergeben Halbchancen, auf der Gegenseite schließt aber Zoltán Stieber einen Konter mit einem fast gemütlichen Heber über Almer ab (87.), womit die Partie für Trainer Bernd Storcks Ungarn verdient gewonnen ist.

ÖFB-Spielmacher Junuzovic verließ zwar am Ende das Stadion auf Krücken, nach einer ersten Diagnose hat er jedoch keine Bänderverletzung erlitten.

Die Österreicher reisten unmittelbar nach dem Keulenschlag zurück nach Mallemort. Mit dem ewigen Augenblick in den Köpfen. Am Samstag wartet Portugal im Pariser Prinzenpark. (Christian Hackl aus Bordeaux, 14.6.2016)

EURO 2016, Gruppe F, 1. Runde:

Österreich – Ungarn 0:2 (0:0)
Bordeaux, Stade de Bordeaux, 34.424 Zuschauer, SR Turpin (FRA).

Tore:
0:1 (62.) Szalai
0:2 (87.) Stieber

Österreich: Almer – Klein, Dragovic, Hinteregger, Fuchs – Baumgartlinger, Alaba – Harnik (77. Schöpf), Junuzovic (59. Sabitzer), Arnautovic – Janko (65. Okotie)

Ungarn: Kiraly – Fiola, Guzmics, Lang, Kadar – Gera, Nagy – Dzsudzsak, Kleinheisler (80. Stieber), Nemeth (89. Pinter) – Szalai (69. Priskin)

Gelb-Rote Karte: Dragovic (66./wiederholtes Foulspiel)

Gelbe Karten: keine beziehungsweise Nemeth