"Nicht nur Leistungssportler greifen zu illegalen Substanzen, sondern auch Freizeitsportler und Bodybuilder nutzen sie, um den Muskelaufbau im Fitness-Studio zu beschleunigen", ist der Androloge Eberhard Nieschlag vom Universitätsklinikum Münster überzeugt.

Foto: APA/AFP/MARK RALSTON

Mainz – Ein fitter Körper steht für Disziplin und Stärke. Manche Freizeitsportler übertreiben es aber: Für sie wird der Muskelaufbau zum Lebensinhalt. Muskeldysmorphie, nennt sich das in der medizinischen Fachsprache, auch bekannt als Adonis-Komplex.

"Nicht nur Leistungssportler greifen zu den illegalen Substanzen, sondern auch Freizeitsportler und Bodybuilder nutzen sie, um den Muskelaufbau im Fitness-Studio zu beschleunigen", sagt der Androloge Eberhard Nieschlag vom Universitätsklinikum Münster.

Die Mittel können gespritzt oder geschluckt werden, es gibt sie als Creme oder Gel für die Haut, aber auch als Pflaster. "Die Einnahme wird häufig bagatellisiert", sagt der Hormonexperte. Ablesbar sei das an Todesfällen von Freizeitsportlern, die nach der langjährigen und hochdosierten Einnahme von Anabolika relativ jung an Herzversagen gestorben sind.

Schlecht für Herz und Blut

Die Todesursache ist in den meisten Fällen eine Erkrankung des Herzmuskels, eine Herzrhythmusstörung oder ein Herzinfarkt. "Die Pathologen finden bei der Autopsie oft eine ausgedehnte Verkalkung der Blutgefäße", berichtet Nieschlag. "In den Herzkranzgefäßen kann dies einen Herzinfarkt auslösen."

Anabolika verschlechtern außerdem die Fließeigenschaften des Blutes. Sie steigern die Bildung von roten Blutzellen im Knochenmark. "Der gewünschte Effekt ist eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung im Gewebe", so der Experte. Es bestehe jedoch die Gefahr, dass der Blutfluss zum Stehen komme und sich Blutgerinnsel bilden. "Im Gehirn hat das einen Schlaganfall, in den Lungen eine Lungenembolie und in den Beinen eine Thrombose zur Folge", ergänzt Nieschlag.

Selbstüberschätzung und Depressionen

Die meisten Anabolika werden in der Leber abgebaut. Bei häufiger Einnahme begünstigen Anabolika eine Fettleber, bei einer Überdosis kann es zum Leberversagen kommen. Ein weiteres Problem: "Anabolika-Anwender sind häufig leicht erregbar und aggressiv. Sie neigen zur Selbstüberschätzung oder entwickeln sogar psychotische Symptome", so Nieschlag.

Wird der Substanzmissbrauch abgesetzt, kann es zu Depressionen kommen, manchmal über Jahre hinweg. "Die meisten Menschen, die Anabolika einnehmen, sind sich der gesundheitlichen Risiken nicht bewusst, die häufig noch durch die Kombination verschiedener Präparate gesteigert werden", ergänzt Matthias Weber, Leiter des Endokrinen und Neuroendokrinen Tumorzentrums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Der Experte sieht deshalb auch die Nationale Anti Doping Agentur NADA in der Pflicht: Für ihn reiche es nicht aus, nur vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln im Sport zu warnen. "Die NADA sollte auch deutlich vor den gesundheitlichen Risiken von leistungssteigernden warnen. Denn Freizeitsportler sind hier stärker gefährdet, da sie keinen Kontrollen unterliegen und häufig sogar größere Mengen einnehmen als die Profis." (red, 16.6.2016)