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Auch für die HDZ von Tomislav Karamarko (links) war Tihomir Orešković (rechts) noch vor einem halben Jahr der geeignete Mann fürs Amt des kroatischen Premierministers. Nun betrieb Karamarko den Misstrauensantrag gegen Orešković, weil er sich selbst in die Bredouille gebracht hatte.

Foto: Reuters / Antonio Bronic

Zagreb/Sarajevo – Am Donnerstagnachmittag stimmten 125 von 151 Parlamentarier – die Mitglieder der konservativen HDZ und der oppositionellen Sozialdemokraten – für den Misstrauensantrag gegen Premier Tihomir Orešković. Damit ist sein Mandat beendet. Die Intrigen und das Ausmaß an Irrationalität und Eigeninteresse in der kroatischen Politik dürften für den Ex-Pharma-Manager ein Lehrstück gewesen sein. Orešković hatte vor der Abstimmung eine flammende Verteidigungsrede gehalten.

"Der wahre Grund für meine Absetzung ist die Fortführung des Schiedsverfahrens zwischen Ina und Mol", spielte er auf die Interessen jenes Mannes an, der in den vergangenen Wochen die Regierung und das ganze Land in eine tiefe Krise gestürzt hatte – HDZ-Chef Tomislav Karamarko. Dieser wollte das Schiedsverfahren, das seit Jahren wegen des Streits um den Einfluss im Aufsichtsrat des Erdölunternehmens läuft, beenden. Noch mehr Anteile der kroatischen Ina sollten an die Mol verkauft werden.

Doch Orešković und die zweite Regierungspartei Most waren dagegen. Sie leisteten vor allem Widerstand, als klar wurde, dass Karamarko ganz persönliche Interessen verfolgen dürfte, weil publik wurde, dass seine Frau, Anna Karamarko, 60.000 Euro von einem Mol-Lobbyisten bekommen hatte. Karamarko, der am Mittwoch wegen des Interessenkonflikts zurücktreten musste, versuchte jedoch, aus der gesamten Angelegenheit einen Strick gegen Orešković zu drehen.

HDZ hatte Orešković geholt

Offiziell wird dem parteiunabhängigen Premier, der von der HDZ vor einem halben Jahr ins Amt geholt wurde, vorgeworfen, er würde einen diktatorischen Regierungsstil pflegen und habe bei der Besetzung des Chefpostens des Geheimdienstes SOA Druck ausgeübt. Orešković meinte am Donnerstag: "Alle Vorwürfe gegen mich sind falsch."

Er habe versucht, sehr aktiv mit Karamarko zu kommunizieren, doch dieser habe seine Anrufe zwei Monate lang ignoriert. "Er war an wirtschaftlichen Fragen und Reformen nicht interessiert", rechnete der Regierungschef mit dem HDZ-Chef ab. Er habe versucht, Karamarko in der Ina-Mol-Causa zu stoppen. "Das ist mein einziger Fehler." Orešković erinnerte auch daran, dass seine Reformvorschläge von der EU-Kommission gelobt worden seien. Er sei stolz darauf, was er als Premier geleistet habe. "Der liebe Gott beschütze Kroatien", endete er. Karamarko selbst, der die Absetzung von Orešković betrieben hatte, und die HDZ-Minister kamen zu der Debatte nicht einmal ins Parlament. Die Partei Most unterstützte Orešković bis zum Schluss und sprach sich dafür aus, dass es nach seiner Absetzung zu Neuwahlen kommen sollte.

Gemeinsam mit den Sozialdemokraten (SDP) haben sie ausreichend Stimmen, um das Parlament aufzulösen. Allerdings hängt die Abstimmung darüber von Parlamentspräsident Zeljko Reiner ab, der der HDZ angehört.

Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović kann ohne Auflösung des Parlaments innerhalb von 30 Tagen jemanden mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen, falls es 76 Unterschriften von Parlamentariern für eine solche gibt. Ein möglicher Premierskandidat wäre der bisherige Finanzminister Zdravko Marić. Allerdings halten viele Beobachter diese Option für einen Bluff der HDZ.

70 Prozent für Neuwahlen

Viele rechnen mit Neuwahlen im September. Laut Umfragen wären 70 Prozent der Bevölkerung dafür. Für die Sozialdemokraten sind Neuwahlen aber auch riskant, denn SDP-Chef Zoran Milanović ist unbeliebt. Zudem könnte es wieder zu einem Patt zwischen SDP und HDZ kommen. (Adelheid Wölfl, 16.6.2016)