Wahlbeisitzer, ein Gschaftl so sexy wie Vereinsprüfer. Glücklicherweise finden sich trotzdem Menschen, die sich am Tag der Wahl, am Tag danach und wahrscheinlich auch für das eine oder andere Vorbereitungstreffen hinsetzen und ihre Zeit für diese wichtige, aber undankbare Aufgabe aufwenden. Sei es aus einem aufrechten Interesse am demokratischen Prozess. Sei es, weil sie von der Partei verpflichtet wurden. Man kann jedenfalls annehmen, dass ihre Absicht eine redliche ist.

Dass Wahlen deswegen grundsätzlich fehlerfrei ablaufen, hat wahrscheinlich trotzdem niemand angenommen. Dass es zu solchen Schlampereien, Pannen und Gesetzeswidrigkeiten gekommen sein könnte, wie sie jetzt von den Freiheitlichen bei der Anfechtung der Bundespräsidentschaftswahl vorgebracht werden, ist aber überraschend. Wenn denn alles stimmt, was die FPÖ hier behauptet.

Genau das wollen die Verfassungsrichter ab kommendem Montag in einer viertägigen öffentlichen Verhandlung von den rund 90 geladenen Zeugen erfahren. Was stimmt jetzt wirklich? Dass eh alles okay war, wie die blauen Wahlbeisitzer mit ihrer Unterschrift unter dem Wahlakt ursprünglich bestätigt haben? Oder dass hier strukturell geltendes Recht gebrochen wurde (bestenfalls fahrlässig, schlimmstenfalls vorsätzlich, das lässt der dicke Anfechtungsakt offen) – wie ein Blauer nach dem anderen plötzlich behauptet? Dass diesen Fragen jetzt in aller Öffentlichkeit nachgegangen wird, ist wichtig und richtig. Transparenz ist ein wirksames Mittel gegen Verschwörungstheorien. Tatsächlich begangene Fehler aufzuzeigen ist die Präventionsarbeit gegen das populistische Poltern gegen den Rechtsstaat, wie es die Blauen betreiben.

Die betroffenen Wahlbeisitzer werden sich wohl ein letztes Mal für den Job zur Verfügung gestellt haben. Dass ihnen ihr Engagement einen Auftritt vor 14 Höchstrichtern und den Scheinwerfern der Medien einbringt, ist nicht lustig. Und dass die eigene Partei in Kauf nimmt, ihnen ein Verfahren vor der Staatsanwaltschaft wegen falscher Beurkundung einzubrocken, wird auch nicht so schnell vergessen sein.

Wenn es der Sache, nämlich dem Sieg des aus freiheitlicher Sicht einzig wahren Präsidenten Norbert Hofer, dient, muss man eben Opfer bringen. Folgt man den Argumenten der FPÖ, könnten sie bereits im ersten Wahlgang Leidensfähigkeit bewiesen haben. Angezeigt wurde nämlich nichts, auch wenn die gleichen Wahlkommissionen für die Auszählung zuständig waren. Aber damals lag ja auch Hofer vorn. Oder will man ernsthaft argumentieren, dass die auf 152 Seiten runterdeklinierten Vergehen der Wahlkommissionen erst bei der Stichwahl im Mai passiert sein sollen?

Der Innenminister hat zur Causa eine erfreulich klare Meinung: zentrales Wählerregister, Auszählen der Briefwahlkarten bereits am Wahltag, verpflichtende Schulungen für Wahlbeisitzer. Das wird zwar deren Bereitschaft, ihre Wahlsonntage in den Kindergärten, Schulen und Seniorenheimen dieses Landes zu verbringen, nicht zusätzlich erhöhen. Aber es ist eine Art Versicherung.

Nicht nur für die juristisch meist ungeschulten für Demokratie Engagierten selbst, sondern auch für das Ansehen des österreichischen Rechtsstaates im In- und Ausland. Sollte es tatsächlich zur Wiederholung der Stichwahl kommen, wäre das nämlich vor allem eines: mühsam und peinlich. (Karin Riss, 16.6.2016)