Wien – In dem Hollywood-Streifen "The Wolf of Wall Street" verkörpert Leonardo DiCaprio den US-Investmentbanker Jordan Belfort, der bereits als 26-Jähriger mit illegalen Geschäften in die Riege der Multimillionäre aufsteigen konnte. Belfort und seine Bankerkollegen verdienten im wahren Leben mit ihrer Firma Stratton Oakmont hunderte Millionen Dollar, indem sie Kunden Schrottaktien andrehten.

In Martin Scorseses Film liegt der Fokus vor allem auf den Sex- und Drogenpartys, die dazwischen gefeiert wurden, zu denen Prostituierte ebenso gehörten wie "Zwergenweitwerfen". Irgendwann engagiert Belfort sogar seinen cholerischen Vater als Aufpasser in der Firma, weil die Partyorgien zu wild und zu teuer werden.

Bild nicht mehr verfügbar.

Filmszene aus "The Wolf of Wall Street". Hollywood thematisiert Sexeskapaden der Investmentbanker gern.
Foto: AP

Diese Episode kommt einem angesichts eines in London laufenden Gerichtsverfahrens gegen Goldman Sachs in den Sinn. Nach dem Verhandlungsauftakt diese Woche sieht es so aus, als hätte auch die US-Investmentbank einen Aufpasser gebrauchen können.

Schadenersatz

Die Libya Investment Authority, also der libysche Staatsfonds, der die Ölmilliarden des Landes verwaltet, klagt Goldman Sachs wegen einer Reihe verlustreicher Finanzgeschäfte auf Schadenersatz. Der Streitwert beträgt laut Gerichtsunterlagen 1,1 Milliarden US-Dollar (970 Millionen Euro).

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht aber die Art und Weise, wie Goldman Sachs die Geschäftsbeziehung mit den Libyern aufgebaut haben soll. So zahlte man den Partnern aus dem nordafrikanischen Land offenbar Prostituierte, Luxushotels und Urlaubsreisen.

Ein Goldman-Banker soll allein an einem Wochenende 31.000 US-Dollar für die Unterhaltung aus Tripolis nach London eingeladener Manager bezahlt haben. Hinzu kamen Kurztrips nach Marokko und Dubai. Auf einer dieser Reisen sollen auch Prostituierte engagiert worden sein, die Anwälte der Investment Authority haben nach eigenen Angaben SMS der Goldman-Leute, in denen die vor Ort illegalen Escort-Deals eingefädelt werden.

Ausgenutzt

Die Libyer werfen Goldman vor, ihre mangelnde Erfahrung ausgenutzt zu haben. Die Investment Authority wurde 2006 noch unter der Herrschaft Muammar al-Gaddafis gegründet. Sie sollte nach dem Ende der jahrzehntelangen Sanktionen gegen Libyen Investments im Ausland tätigen. Die US-Investmentbank soll die Libyer zu einer Reihe letztlich verlustreicher Wetten auf Aktienkurse überredet haben.

Der Fall in London erregt weltweite Aufmerksamkeit, was daran liegt, dass in den vergangenen Jahren mehrere Affären ein schiefes Licht auf die Gepflogenheiten bei den großen Investmentbanken geworfen haben. Häufig war dabei Goldman Sachs im Mittelpunkt.

Jahrelang etwa hat unter dem Namen @GSElevator ein anonymer User angebliche Insiderinformationen über im Lift belauschte Gespräche bei der Investmentbank vertwittert. Seine Fangemeinde wuchs auf über 700.000 Follower an. Viele der Twitter-Nachrichten handelten vom frauenverachtenden Klima bei Goldman Sachs, nicht selten ging es auch hier um Prostitution. Die Affäre führte dazu, dass man bei der Bank sogar ein Verbot für Mitarbeitergespräche im Lift verhängte.

Anfang 2014 stellte sich heraus, dass hinter dem Account ein Texaner namens John Lefevre steckte. Der hatte nie bei Goldman Sachs, dafür aber sechs Jahre bei der Citibank gearbeitet. Seine Erlebnisse mit Drogen und Sexpartys verarbeitete er in einem Buch ("Straight to Hell"). In US-Medien wurde die Darstellung im Buch trotz der Lüge über seinen Goldman-Sachs-Job als ein realistisches Abbild der Bankenbranche gefeiert.

Die Episode zeigt, wie schwer es ist, den Wahrheitsgehalt der vielen Geschichten über Sexeskapaden in der Investmentbankenbranche abschätzen zu können. Während eine Reihe von Hollywood-Filmen wie "The Wolf of Wall Street" das Thema behandelt, gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu, sondern nur viele Anekdoten.

Unzweifelhaft ist es allerdings, dass die Struktur bei den Investmentbanken, ein wie Soziologen sagen, männerbündisches Verhalten befördert. Der Anteil von Frauen ist bei Finanzinstituten wie Goldman Sachs und Morgan Stanley extrem niedrig. Das Magazin "Business Insider" hat unlängst eine Aufstellung über die Zahl der Frauen an der Wall Street veröffentlicht. Bei Goldman Sachs arbeiten demnach in der Führungsebene 79 Prozent Männer. Sogar im mittleren Management liegt der Männeranteil bei 76 Prozent. Bei klassischen Banken wie der Bank of America ist das Bild inzwischen viel ausgewogener. (szi, 17.6.2016)