Mit dem ersten Smartphone gelang dem chinesischen Start-up OnePlus eine handfeste Überraschung. Das zweite Handy wurde 2015 gnadenlos als Flaggschiff-Killer für das Folgejahr vermarktet, sorgte jedoch für wenig Euphorie. Nach einem kurzen Ausflug ins Mittelklassesegment mit dem OnePlus X ist nun die dritte Generation des eigenen Spitzenhandys erschienen.

Das OnePlus 3 soll die Schwächen der zweiten Ausgabe vergessen lassen und, so hieß es vom Hersteller, wieder "das selbe Gefühl" entstehen lassen, das einst das OnePlus One bei den Käufern erweckt haben soll. Der WebStandard ist dem Versprechen nachgegangen.

Foto: derStandard.at/Pichler
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Vorschusslorbeeren

In einigen englischsprachigen Medien, die schon vor dem eigentlichen Launch mit Testgeräten versorgt worden waren, hat das neue Android-Handy viel Lob eingeheimst. Bei Engadget bezeichnete man es etwa als das beste Mobiltelefon, "das man für 399 Dollar kaufen kann".

Äußerlich entspricht das OnePlus 3 dem Lob durchaus. Die bisherige Kunststoffhülle wurde gegen einen Unibody aus Aluminium ausgetauscht. Und an dem lässt sich in puncto Verarbeitung nichts aussetzen. Die Tasten sitzen fest und wabbeln nicht, die Abdeckung ist sauber verschraubt und es gibt keine problematischen Spalten. Die Rückseite mit ihrem markanten Antennenstreifen erinnert ein wenig an HTCs One-Serie.

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Ergonomieprobleme

Zwei Kritikpunkte finden sich aber dennoch. Das Gehäuse ist schlank, aber gleichzeitig recht kantig. In Verbindung mit der Größe des Gerätes (152,7 x 74,7 x 7,4 mm), das durch die Nutzung von kapazitiven Navigationstasten und einem Homebutton mit Fingerabdruckscanner auch recht lang ist, liegt es nicht übermäßig ergonomisch in der Hand. Insbesondere Menschen mit kleineren Händen könnten sich hier ärgern. Dazu könnte die Rückseite griffiger sein. Beides bessert sich beim Anlegen einer Rückseitenabdeckung. Derzeit bietet OnePlus hier fünf verschiedene Varianten mit unterschiedlichen Materialien und Aussehen an.

Das zweite Problem ist der rund einen Millimeter herausstehende Kamera-Sensor auf der Rückseite. Somit liegt das Smartphone nie flach auf und ist folgerichtig auf einem Tisch nur mäßig komfortabel zu bedienen. Auch hier verbessert ein Cover die Situation deutlich.

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Ordentliches Display

Beim Display setzt OnePlus auf ein AMOLED-Panel mit Diagonale von 5,5 Zoll. Es liefert satte, aber dennoch realistisch wirkende Farben und gute Kontraste. Dem Trend hin zur "2K"-Auflösung (2.560 x 1.440 Pixel) folgt man nicht und setzt auf Full-HD (1.920 x 1.080 Pixel). Bei freiem Auge ist angesichts der Pixeldichte von über 400 PPDie maximale Helligkeit sowie eine zusätzliche polarisierende Schicht sorgen für brauchbare Ablesbarkeit unter Sonnenlicht.

Der Bildschirm wölbt sich leicht über den Rand, was allgemein mittlerweile als "2,5D" bezeichnet wird. Laut Werbeversprechen sollen Inhalte damit plastischer wirken, subjektiv wollte ein Unterschied zu guten "flachen" Displays allerdings partout nicht auffallen. Absolut zu loben ist allerdings die Reaktionsgeschwindigkeit des Sensors. Die Verzögerung, die es zwischen Berührung und Erkennung gibt, ist praktisch nicht zu merken.

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Gut ausgestattet

Eine gute Wahl hat OnePlus auch beim Fingerabdruckscanner getroffen. Denn der erkennt, einmal eingerichtet, die jeweiligen Fingerkuppen sehr zuverlässig und schnell. Die Platzierung unter dem Display ist allerdings hinterfragungswürdig. Nach subjektivem Empfinden erscheint die Benutzung eines solchen Sensors auf der Rückseite jedenfalls komfortabler.

Bei der weiteren Hardwareausstattung steht das OnePlus 3 anderen Smartphones wie dem Samsung Galaxy S7 zumindest am Papier um nichts nach. Qualcomms aktueller Spitzenchip Snapdragon 820 sorgt für die Leistung. Mit sechs GB RAM steht ihm dabei mehr Arbeitsspeicher zur Verfügung, als auf den meisten Geräten der Konkurrenz. Dazu gibt es 64 GB integrierten Speicher, allerdings ohne Erweiterungsmöglichkeit.

Telefoniert und gesurft werden kann mit zwei nanoSIM-Karten. Das Smartphone unterstützt 3G und LTE auf allen relevanten Frequenzen sowie WLAN nach 802.11ac-Standard, NFC und Bluetooth 4.2. Daten- und Stromtransfer per Kabel wird über einen USB 2.0-Anschluss (Typ C) abgewickelt.

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Flotter Akku – am richtigen Ladegerät

Der Akku ist mit 3.000 mAh etwas kleiner geraten als beim Vorgänger, soll aber dank effizienterer Nutzung trotzdem länger halten. Per Schnelllade-Standard "Dash Charge", praktisch das umetikettierte VOOC der Quasi-Mutterfirma Oppo, soll er sich in 30 Minuten von 0 auf 60 Prozent aufladen. Das soll einen Tag Verwendung gewährleisten.

Im Test gelang das auch. Allerdings ist diese Ladegeschwindigkeit an die Verwendung des beigelegten Ladegeräts und Kabels gekoppelt. Denn der Charger nutzt bei üblicher Spannung von fünf Volt eine Stromstärke von vier Ampere und verfügt über Elektronik, die dem Smartphone die Regelung des Ladevorgangs beim Schnellladen abnimmt. Angehängt an ein herkömmliches Ladegerät mit 2,4-Ampere-Output gelang in vergleichbarer Zeit nur ein Ladefortschritt von um die 35 Prozent.

Soweit innerhalb des Testzeitraums beurteilbar, ist es mit 60 Prozent Ladestand durchaus möglich über den Tag zu kommen, wenn auch nur mit sehr geringen Reserven und eher nicht als Poweruser. Lädt man die Batterie des Smartphones voll auf, kommt man je nach Verwendungsintensität wohl mit zehn bis 30 Prozent Restladung in den Abend.

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Gute, aber nicht perfekte Kamera

Ein Handy, das mit der aktuellen Highend-Klasse konkurrieren soll, muss sich heutzutage obligatorisch auch an seiner Kamera messen lassen. Hier setzt OnePlus auf ein 16-MP-Modul von Sony, kombiniert mit Phase Detection-Autofokus, optischer Bildstabilisierung und einem LED-Blitz (kein Dual-LED). Es ist in der Lage 4K-Videos (30 Frames pro Sekunde) und Zeitlupenvideos in 720p-Auflösung aufzunehmen. Auf der Frontseite befindet sich ein Acht-MP-Sensor, der Videos in Full-HD erzeugen kann.

Ein oft genanntes Manko des Vorgängers war die Auslösegeschwindigkeit der Kamera, insbesondere unter schlechteren Lichtbedingungen. Das OnePlus 3 gibt hier keinen Anlass zum Nörgeln. Der Fokus arbeitet angenehm schnell, was auch bei Abendbildern unnötige Verwackelungen vermeidet.

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Ebenso punktet die Kamera mit guter Farbtreue, selbst bei reinem Kunstlicht schleicht sich nur ein minimaler Gelbstich ein. Für ein Smartphone fallen die Bilder qualitativ hochwertig aus, in Sachen Rauschfaktor und Detailabbildung muss sich der Neuzugang dem Galaxy S7 allerdings geschlagen geben. Ordentliche Resultate liefert übrigens auch die Frontkamera.

Die Kamera-App selbst ist intuitiv aufgebaut. Standardmäßig wählt das Gerät die Einstellungen für Fotos selber, verzichtet dabei allerdings zu oft auf HDR. Wer will, kann jedoch Belichtung, Auslösezeit und andere Einstellungen manuell vornehmen und mit entsprechendem Verständnis für Fotografie bessere Ergebnisse erzielen. Auch die Aufnahme im RAW-Format ist möglich.

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Oxygen OS

Als Firmware kommt auf dem OnePlus 3 Oxygen OS 3 zum Einsatz, getestet wurde mit der Version 3.1.2. Sie basiert auf Android 6 "Marshmallow". Gegenüber einer unveränderten Version von Android halten sich die Änderungen in Grenzen. Es gibt ein paar zusätzliche Einstellungen, etwa ein dunkles Theme für Menüoberflächen. Das sorgt für entspanntere Verwendung am Abend, derzeit erfolgt jedoch keine automatische Aktivierung, wie es etwa das LiveDisplay von Cyanogenmod beherrscht. Nett ist auch ein Feature im Taskswitcher, mit dem nicht nur offene Apps, sondern auch nicht-kritische Hintergrundprozesse beendet werden.

Ebenso sind ein paar zusätzliche Apps installiert. So findet sich ein simpler Dateimanager ebenso im Sortiment, wie auch eine eigene Galerie-App. Ihr Mehrwert hält sich im Vergleich zur Standardlösung allerdings in Grenzen. Ein paar nette Kniffe hat man dem System auch beigebracht. Neben Offscreen-Gesten zur Musiksteuerung oder dem Starten der Kamera, lässt sich letzteres auch mit einem doppelten Druck auf die Einschalttaste bewirken. Zu den üblichen Buttons gesellt sich außerdem ein praktischer Schieberegler für Benachrichtigungs-Schnelleinstellungen (Normal, Vibration, aus).

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Flott unterwegs

Die Firmware liefert auch saubere Performance. Menüs laden blitzschnell, die Navigation funktioniert auch dann noch ruckelfrei, wenn im Hintergrund einige Programme laufen. Neue Programme werden schnell installiert, Apps starten flott. Auch bei den Benchmarks spielt das OnePlus 3 gut mit. Über 140.000 Punkte im Allroundtest von Antutu platzieren es mit fast zehnprozentigem Abstand vor dem LG G5 und auch vor dem Galaxy S7. Spitzenwerte werden auch beim 3DMark und dem Browserperformance-Test Vellamo erzielt.

Die synthetischen Werte lassen sich auch gut in die Praxis übersetzen. Selbst wenn man das Handy länger mit grafisch anspruchsvollen Games traktiert, ist kein Ruckeln zu bemerken. Von manchen Nutzern monierte Aussetzer, die zu striktem Speichermanagement geschuldet sein sollen, waren im Test nicht zu bemerken. Und auch die Wärmeentwicklung unter Last hält sich in absolut vertretbaren Grenzen.

Überdurchschnittlicher Sound

Kommunikatorische Grundfunktionen nimmt der Androide ebenfalls gut wahr. Der Empfang bei Telefonie, mobilem Internet und WLAN ist gut. Einmal eingeschaltet wählt sich das Handy auch blitzschnell ins Netz ein.

In puncto Akustik besteht Ausbaupotenzial. Der externe Lautsprecher liefert unter Smartphone-Maßstäben überdurchschnittliche Qualität ab, sollte aber tunlichst nicht auf voller Lautstärke plärren, da sich dann deutliche Verzerrungen einschleichen. An der Wiedergabe per Kopfhörer gibt es nichts auszusetzen. Die Sprachqualität bei Telefonie ist passabel, aber nicht überragend. Sowohl auf Empfänger- als auch auf Anruferseite könnte die Erfassung der Stimme etwas deutlicher sein.

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Fazit

Über weite Strecken muss das OnePlus 3 den Vergleich mit Geräten wie dem Galaxy S7 oder LG G5 nicht scheuen, auch wenn es in puncto Kamera mit beiden nicht ganz mithält und auch nicht über modulare Erweiterbarkeit verfügt. Und in den Bereichen, in denen das Handy unterlegen ist, ist der Abstand kein gravierender.

Anders gesagt: Das Handy ist das wohl derzeit beste Gerät, das sich abseits des elitären Zirkels rund um Samsung, LG und Apple käuflich erwerben lässt. Kostet mit 399 Euro aber nur etwa die Hälfte. In Sachen Preis-Leistungsverhältnis hat es OnePlus also tatsächlich geschafft, an ihr erstes Smartphone anzuschließen.

Abzuwarten bleibt, wie der weitere Softwaresupport für das Handy verläuft – ein Bereich, in dem der Hersteller bisher nicht ganz verlässlich war. Wer sich darauf nicht verlassen möchte, dürfte aber schon bald einige Custom ROMs für das Telefon vorfinden. Schon am Releasetag veröffentlichten eifrige Entwickler eine inoffizielle Testversion von Cyanogenmod 13 für das OnePlus 3.

Wie schon bisher verkauft OnePlus sein Android-Flaggschiff nebst Zubehör online über die eigene Webseite. Das oftmals heftig beanstandete Einladungssystem wurde mittlerweile abgeschafft, die Bestellung ist mittlerweile für alle Kunden ohne derlei Hürden möglich. (Georg Pichler, 19.06.2016)

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