Ibrahim Olgun ist neues Oberhaupt der heimischen Muslime – doch erst sind die Juristen am Zug.

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Wien – Kaum ist der neue Präsident gekürt, schon steht ihm eine Wahlanfechtung ins Haus: Was stark nach Bundespräsidentenwahl klingt, spielt sich derzeit auch bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft ab. Weil Fuat Sanaç, bisher Oberhaupt der Muslime und wegen des strengen neuen Islamgesetzes der Regierung zuletzt in seiner eigenen Gemeinde ständig in der Kritik, nicht mehr antreten wollte, hat die Community am Sonntag den 28-jährigen türkischstämmigen Theologen Ibrahim Olgun zu ihrem obersten Vertreter erklärt.

Via "Presse" erklärte daraufhin Hassan Mousa, Vorsitzender der Arabischen Kultusgemeinde sowie Mitglied des Schurarats und damit des legislativen Organs, dass die Wahl "undemokratisch" und "gesetzeswidrig" zustande gekommen sei – und deshalb wolle er diese beim Kanzleramt anfechten.

Türkische Dominanz beanstandet

Mousa stößt sich am Alter des neuen Chefs, weil die Verfassung der Glaubensgemeinschaft ein Mindestalter von 35 für das Amt vorschreibe – und diesen Passus habe der Schurarat im Dezember ohne Abstimmung aufgehoben. In den Augen Mousas ebenfalls fragwürdig: dass wegen Olguns Mitgliedschaft beim türkisch-islamischen Verein Atib ein Ungleichgewicht zugunsten der türkischen Gemeinde bestehe.

Hintergrund: Von den dreißig Kultusgemeinden in Österreich (mindestens zehn Moscheen, die seit drei Jahren bestehen, müssen sich dafür organisatorisch zusammenschließen) gelten zwei Drittel, also etwa zwanzig, als türkisch – und sechs davon werden Atib zugerechnet.

Notorischer Quergeist

Doch auch Mousa selbst gilt als notorischer Quergeist, der "längst nicht bei allen Rückhalt genießt", wie es in der Gemeinde heißt. Der Betreiber der umstrittenen strengreligiösen Al-Azhar-Schule in Wien hatte erst unlängst für Aufsehen gesorgt, weil er in Gaza dem iranischen Fernsehen erklärte, dass "hunderte Shalits" (Name eines israelischen Soldaten) gefangen genommen werden müssen, "um die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen zu erreichen". Später sagte er, die Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.

Aus dem zuständigen Staatssekretariat im Kanzleramt heißt es zur Wahlanfechtung nur, dass erst ein achtköpfiges Schiedsgericht der Gemeinde über die Angelegenheit befinden müsse. Denn das Kultusamt sei "erst nach Erschöpfung der innerreligionsgesellschaftlichen Möglichkeiten" am Zug. (Nina Weißensteiner, 20.6.2016)