Porsche zieht quasi auf der Zielgeraden noch vorbei.

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Jackie Chan und Brad Pitt ziehen den Applaus.

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Toyota muss Porsche ziehen lassen.

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Le Mans – Sonntag, acht Uhr morgens, 17 Stunden sind gefahren: Von 60 gestarteten Autos sind 40 auf der Strecke, der Rest war in den Boxen verschwunden, manche schon seit Stunden, oder waren am Rande der Strecke geparkt, zum Teil in heftig ramponierten Zustand. Gegen Mitternacht waren noch 59 der 60 Autos in der Wertung gewesen, aber eine Unfallserie in den frühen Morgenstunden hatte dafür gesorgt, dass sich die Reihen lichteten: Den Auftakt machte kurz vor 7 Uhr die Corvette mit der Nummer 64, die einen Reifenstapel aufmischte. Wenige Minuten später krachte ein Alpine Nissan in die Wand, der Wagen von ByKolles Racing (der einzige unter österreichischer Fahne) beginnt zu brennen, ein Oreca fährt ins Kiesbett und verendet dort, ein Ligier touchiert die Wand.

In der Box geparkt

An der Spitze ist es unverändert spannend: Zwei Toyotas und ein Porsche liegen nach 270 Runden auf wenige Sekunden zusammen, tauschen Plätze. Nur eine Runde dahinter der erste Audi. Der zweite Porsche, jener mit der Nummer eins, war Stunden in der Box geparkt, arbeitet sich wieder ans Spitzenfeld heran.

Rad an Rad

Auch in der GT-Wertung wird zu diesem Zeitpunkt Rad an Rad gefahren: Der Ferrari 488 wird von den Ford GTs gejagt, die Porsches sind hier längst abgemeldet, auch die verbliebene Corvette fährt hintennach, lediglich zwei Aston Martin sind mit zwei Runden Rückstand auf den Ferrari noch in Schlagweite. Der Österreicher Richard Lietz liegt im Porsche 911 RSR weit zurück. Auch Mathias Lauda rangiert in einem Aston Martin unter ferner liefen.

Brad Pitt lächelte auch brav im Nassen, als er am Samstag um 15 Uhr die Flagge zum Start des 24-Stunden-Rennens schwang. Die Anfangsphase war allerdings wenig spektakulär, wegen des starken Regens mussten die 60 Wagen eine halbe Stunde lang dem Safety Car folgen. Spannend wurde es, als die Strecke auftrocknete und sich die Teams von Porsche, Toyota und Audi mit dem Messer zwischen den Zähnen ein Match um die Führung lieferten. Nach sechs Stunden lagen fünf Wagen immer noch in einer Runde, einmal war Toyota vorne, dann wieder Porsche, kurz auch Audi.

Brad Pitt gegen Jackie Chan

Brad Pitt musste sich quasi ein Match mit Jackie Chan liefern, der beim Publikum offenbar nicht minder populär ist und von den Fans bei seinem Auftritt an der Zielgeraden begeistert gefeiert wurde. Auch wenn auffiel, dass der Actionstar etwas rundlich geworden ist, und er eine schrullige, große, runde Brille trug. Brad Pitt hingegen – die Coolness in Person. Auch Keanu Reeves und Patrick Dempsey waren da und sehr lässig.

Piquet, Prost, Senna und Lauda

Ansonsten beschränkte sich das Auftreten der Prominenz weitgehend auf das Starterfeld: Mark Webber im Porsche, André Lotterer im Audi, Nick Heidfeld im Rebellion, Giancarlo Fisichella im Ferrari und Pedro Lamy im Aston Martin. Und auch beim "Nachwuchs" gab es ein paar klingende Namen: Nelson Piquet jr. (im Rebellion), Nicolas Prost (ebenfalls im Rebellion), Bruno Senna, der Neffe (im Ligier-Nissan), und Mathias Lauda (im Aston Martin Vantage).

Problematische "Balance of Power"

So erbittert an der Spitze gekämpft wurde, so heftig ging es auch auf den hinteren Rängen in der GTE-Klasse zu. Das Werksteam von Ford mit gleich vier Wagen am Start hatte alle Mühe, den Ferrari 488 von Fisichella und Kollegen halbwegs im Griff zu halten. Porsche (also die "kleinen" Porsches 911 RSR), Corvette und Aston Martin waren über weite Strecken eher unbeteiligte Zuschauer beim Kampf um die Klassenwertung – was insbesondere Porsche sehr ärgerte, weil man sich durch das Reglement benachteiligt sah. Tatsächlich waren Ford und Ferrari schneller, und das lag auch an den Vorgaben der Veranstalter, die etwa beim Gewicht der Fahrzeuge und – vereinfacht gesagt – bei der Luftzufuhr für die Motoren Restriktionen auferlegen können, um halbwegs gleiche Bedingungen zu schaffen. Das nennt sich "Balance of Power". Und scheint nicht ganz gelungen zu sein.

Langstrecke im Sprint

In der GTE-Klasse hatte sich sechs Stunden nach dem Start der Ferrari – mit nur vier Sekunden Vorsprung – vor drei Ford GTs gesetzt. Das ist das Besondere an Le Mans: Die Langstrecke wird im absoluten Sprint gefahren, da gibt es kein Nachlassen, da wird 24 Stunden gefightet, bis mehr als 5.000 Kilometer zurückgelegt sind, die Höchstgeschwindigkeit in der LMP1-Klasse liegt bei über 300 km/h – eine extreme Beanspruchung für die Fahrer und die Fahrzeuge. Zwei Drittel der Rennstrecke sind öffentliche Straßen (natürlich gesperrt). Inès Taittinger, eine von nur zwei Frauen am Start und Spross des Champagner-Herstellers, machte schon kurz nach 21 Uhr als Erste Schluss: Sie fuhr den Morgan LMP2-Nissan in der Kurve geradeaus und in die Leitplanke. Der Wagen konnte später allerdings noch weiterfahren, Taittinger hatte aber eine Stunde vor Ende erneut einen Unfall, diesmal ging nichts mehr. Die zweite Frau im Feld war die Dänin Christina Nielsen, sie fuhr in der kleinen GTE-Klasse einen Ferrari 458.

Ford packte Sonntagmittag den Ferrari des amerikanischen Teams schließlich doch noch, die italienischen Ferrari-Kollegen vom Team AF Corse waren bereits ausgefallen oder hoffnungslos hinten.

Toyota vor Porsche

Den Gesamtsieg holt sich schließlich Porsche, und das in einer dramatischen Entscheidung. Drei Minuten vor Schluss blieb der lange führende Toyota mit Pilot Kazuki Nakajima bei Start und Ziel plötzlich stehen und musste dem Trio Neel Jani, Marc Lieb und Romain Dumas den sicher geglaubten Sieg überlassen. Die genaue Ursache des Problems am TS050-Hybrid, der auch vom früheren Formel-1-Fahrer Sébastien Buemi pilotiert wurde, war zunächst unklar. Das Match in der GTE-Klasse konnte Ford schließlich deutlich für sich entscheiden, Zweiter wurde der Ferrari, dahinter folgten zwei weitere Fords. Richard Lietz auf Porsche 911 RSR wurde gesamt 32. und Achter in seiner Klasse. Mathias Lauda wurde enttäuschend 47., das ist der elfte Rang in der kleinen GTE-Wertung. (Michael Völker, 19.6.2016)