Kettenverträge sorgen für prekäre Verhältnisse an Hochschulen.

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Wien – Dass die Berufung zum Wissenschafter mit Unsicherheiten verbunden ist, wusste bereits der Soziologe Max Weber Anfang des 20. Jahrhunderts. Auch 99 Jahre nach seinem berühmten Vortrag "Wissenschaft als Beruf" sind viele der von Weber genannten Voraussetzungen für diese Berufung noch die gleichen.

Kettenverträge gab es damals aber noch nicht. An ihnen lädt sich besonders viel Kritik ab. Die Regelung besagt, dass Verträge nach maximal acht Jahren nicht verlängert werden können. Die eigentliche Intention hinter der Regelung sei der Schutz vor einer Aneinanderreihung befristeter Verträge gewesen, sagt Wissenschaftsforscherin Lisa Sigl. Viele Unis würden die Regel aber so auslegen, dass unbefristete Verträge verhindert werden. Positives Beispiel sei die Uni Klagenfurt, dort werden unbefristete Verträge auf Drittmittelbasis vergeben. "Die Kettenvertragsregelung ist kein Naturgesetz, sondern Interpretationssache", sagt Sigl.

Zunehmende Konkurrenz

Sigl ist Teil einer Interessengemeinschaft, die für die Rechte externer Lehrender eintritt – seit beinahe 20 Jahren. Zuletzt machte die Gruppe zur 650-Jahr-Feier der Uni Wien auf prekäre Arbeitsbedingungen aufmerksam. Während die Uni genügend Geld für einen Festakt habe, werde den Anliegen der Lektoren nicht nachgekommen. "Wenn eine Stelle ausgeschrieben ist, bewerbe ich mich – das ist aber kaum der Fall. Meine Existenz und die vieler meiner Kollegen besteht darin, Forschungsanträge zu schreiben", sagte Christian Cargnelli vor Ort.

Zunehmende Konkurrenz sei ein weiteres Merkmal, sagt Sigl. Den Grund sieht sie in der gestiegenen Abhängigkeit der Unis von Drittmitteln. Die Projektfinanzierung sei allein zwischen 2007 und 2013 um 50 Prozent gestiegen. Der Anteil der befristet Beschäftigten unter 40 Jahren hat laut einem Bericht zu neuen Wissenschaftskarrieren seit 2005 von 65 auf 90 Prozent zugenommen.

Verhaltenskodex an deutschen Unis

Während sich in Deutschland bereits letztes Jahr einige Universitäten selbst einen "Verhaltenskodex für gute Arbeit" verpassten und zu oft aneinandergereihte befristete Verträge kürzlich vom Verwaltungsgerichtshof als Missbrauch beurteilt wurden, bleibt die Kettenvertragsregelung in Österreich Alltag. "In Deutschland widmet sich die gewerkschaftliche Vertretung den befristet Beschäftigten. Hier in Österreich ist das leider nicht so", sagt Sigl.

Eine Novelle des Universitätsgesetzes (UG) letzten Oktober brachte zumindest organisationsrechtliche Voraussetzungen für ein "Tenure Track"-Modell für junge Wissenschafter an den Universitäten. Damit sei die Möglichkeit vorgesehen, Dozenten, Assistenz- und assoziierte Professoren und Professoren im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens in die Professorenkurie aufzunehmen. "Ein tolles Modell", sagt Sigl, aber leider gebe es viel zu wenige dieser Stellen.

Natürlich ist nicht alles schlechter geworden für den wissenschaftlichen Nachwuchs: Es gibt eine verstärkte Förderung von Dissertanten, Drittmittel sind auch hier der Grund dafür. "Für den Nachwuchs eine gute Chance, sich auf bezahlter Ebene zu qualifizieren", sagt Sigl. Jungen Forschern gebe sie aber immer mit auf den Weg, die Augen nach anderen Berufsfeldern nicht zu verschließen. Eine wissenschaftliche Ausbildung sei auch eine Qualifizierung für andere Bereiche. Für die Zukunft wünscht sie sich eine transparente Darstellung des Karrieremodells an heimischen Unis und natürlich mehr Geld. "Denn das wäre eigentlich vorhanden, wird aber nicht eingesetzt." (lhag, 21.6.2016)