Das ist erst der Anfang", posaunte Beppe Grillo nach den Kommunalwahlen in Rom hinaus. Was der 67-jährige Genueser Komiker und Gründer der Protestbewegung Movimento 5 Stelle (M5S) damit sagen wollte: Jetzt sind wir reif, das ganze Land zu regieren. Tatsächlich hat Italien am Sonntag ein politisches Erdbeben erlebt, wenn auch kein ganz unerwartetes. Zwei junge, politisch unerfahrene Frauen aus der Protestbewegung – die 37-jährige Virginia Raggi in der Hauptstadt und die 32-jährige Chiara Appendino in Turin – haben die Kandidaten von Matteo Renzis PD förmlich überfahren.

Für Renzi bedeuten die Kommunalwahlen vom Wochenende die schlimmste Niederlage seiner gesamten politischen Karriere. Da kann er noch so lange betonen, dass es sich um lokale Wahlen und nicht um einen nationalen Test gehandelt habe. Besonders die überraschende Abwahl des ebenso angesehenen wie integren Turiner Bürgermeisters Piero Fassino belegt, dass der Missmut der Wählerinnen und Wähler nicht der Person, sondern der Partei gegolten hat. Der Parteichef des PD ist Renzi, nicht Fassino oder der gedemütigte Roberto Giachetti in Rom. Der einzige Trost für Renzi ist der knappe Sieg seines Kandidaten in Mailand.

Renzi bezahlt die Zeche dafür, dass die meisten Italiener bisher wenig oder gar nicht von seinen stets etwas zu großspurig angekündigten Reformen profitiert haben: Die Arbeitslosigkeit ist nicht wesentlich gesunken, der Aufschwung weiterhin zaghaft und zudem kaum auf das segensreiche Wirken der Regierung zurückzuführen. Renzi, dessen PD vor zwei Jahren bei den Europawahlen noch das Rekordergebnis von 41 Prozent erreicht hatte, ist entzaubert und wird von Grillo und seinen Kandidatinnen – zu Recht oder zu Unrecht – nun selbst als Teil der gefräßigen, korrupten und unfähigen Politikerkaste dargestellt.

Allerdings wäre es zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht zu sagen, dass der ehemalige "Verschrotter" Renzi nun seinerseits von Grillo auf dem politischen Schrottplatz entsorgt worden sei. Denn insbesondere in Rom müssen die "Grillini" nun erst einmal beweisen, dass sie in der Lage sind, eine komplexe Großstadt transparent und vor allem erfolgreich zu führen. Dabei handelt es sich um eine titanisch anmutende Bewährungsprobe: Virginia Raggi wird den ganzen Römer Filz, die korrupten Beamten und Stadtpolizisten, die streiklustigen Bus- und Müllfahrer und die lethargische, ineffiziente Bürokratie gegen sich haben. Man könnte auch sagen: Sie wird allein sein gegen die "Mafia Capitale".

Nicht zuletzt wirft auch die sektenhafte Struktur des M5S Fragen auf. Raggi und Appendino mussten wie alle anderen Amtsträger der Protestbewegung einen Vertrag mit Grillo und dessen "Staff" unterschreiben, mit dem sie sich verpflichteten, beim Regieren die Ziele und Ideale der Bewegung hochzuhalten; bei Zuwiderhandlung wird eine Buße von 150.000 Euro oder ein Ausschlussverfahren fällig. Außerdem müssen die beiden Bürgermeisterinnen sämtliche "wichtigen Entscheidungen" dem "Staff" zuvor zur Prüfung unterbreiten.

Falls Raggi und Appendino nicht rasch Erfolge vorweisen können, werden sich vermutlich bald nicht mehr nur die politischen Gegner, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger Italiens fragen, wie es mit der Unabhängigkeit ihrer Stadtoberhäupter bestellt sei. (Dominik Straub, 20.6.2016)