Heidelbeeren sind heimisches Superfood – und weniger teuer als Chia-Samen und Co, die um die halbe Welt zu uns reisen müssen.

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Wien – Chia-Samen, Goji- und Acai-Beeren, roher Kakao, Quinoa, Spirulina oder Chlorella-Süßwasseralgen sind nicht nur essbar, sondern sollen auch wie Medizin wirken. Das sogenannte Superfood verringert angeblich das Risiko für Krebs, Alzheimer und Herzkreislauf-Krankheiten. Zudem wird ihm nachgesagt, dass es die Blutfettwerte senken und das Immunsystem stärken kann.

Tester des Verbraucherschutzmagazins "Konsument" haben nun einschlägige Produkte genau unter die Lupe genommen. Das Fazit der Untersuchung: Superfoods sind Lebensmittel, wie andere auch. Der große Unterschied: Die Früchte, Samen Gräser und Algen sind vor allem eines: teuer.

Schadstoffbelastung

Die Vitamine, Mineralstoffe und sekundären Pflanzenstoffe finden sich ebenso in heimischen Nahrungsmitteln. Der Nachteil der "Exoten" sei außerdem, dass sie zu früh geerntet und stark verarbeitet werden. Zudem gehe die Aufbereitung für den Transport und die wochenlange Lagerung in Schiffscontainern zulasten der empfindlichen Inhaltsstoffe. So kann die leicht verderbliche Acai-Beere nur tiefgekühlt, als Pulpe (aufbereiteter, produktionsfertiger Faserstoff, Anm.) oder gefriergetrocknet nach Europa transportiert werden. Somit bleibt oft nur der umweltbelastende Transport mit dem Flugzeug.

Beim Kauf sollte darauf geachtet werden, dass die Ware rückstandskontrolliert ist, raten die Konsumentenschützer. Bei chinesischen Goji-Beeren wurden etwa schon mehrfach hohe Pestizidbelastungen festgestellt. Bei Chiasamen gibt es Hinweise auf den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln, die in Europa verboten sind. "Von der Aufnahme bestimmter Stoffe in konzentrierter, isolierter Form ist wegen möglicher unerwünschter Wirkungen generell abzuraten. Wenn schon Superfood, dann am besten die ganzen Früchte verzehren und auf Pulver und Kapseln verzichten", schreiben die Tester in ihrem Bericht.

Heimisches Obst ist billiger

Chiasamen etwa sind aufgrund ihres hohen Gehalts an Ballaststoffen, Eiweiß und Mineralstoffen anderen Lebensmitteln angeblich überlegen. Die Heilsamen der Maya sollen obendrein die Verdauung fördern, den Blutzucker regulieren sowie Gelenkschmerzen und Sodbrennen lindern. Für Chiasamen werden derzeit zwischen neun und 57 pro Kilogramm verlangt. Dabei könnte es auch billiger gehen. Denn Leinsamen liefert in etwa gleich viel Eiweiß, Kalzium, Magnesium Zink und Omega-3-Fettsäuren, kostet aber nur drei bis 19 Euro pro Kilogramm.

Teuer sind auch Acai-Beeren. Die Früchte einer Palmenart enthalten viele Mineralstoffe, insbesondere sehr viel Kalzium sowie die als Radikalfänger gepriesenen Anthocyane (dunkle Pflanzenfarbstoffe, Anm.). Das Acai-Pulver kostet bei uns zwischen 160 und 262 Euro pro Kilogramm.

Dabei könnte ihn Österreich ganz einfach auf Brombeeren, Holunderbeeren, Heidelbeeren, Apfelbeeren, Kirschen, rote Weintrauben oder auch Blaukraut zurückgegriffen werden, wie die Konsumentenschützer betonen. Auch diese Früchte und Gemüsesorten enthalten reichlich Farbstoffe und sind bei weitem nicht so teuer. Die kostspieligen Goji-Beeren mit ihrem hohen Vitamin-C-Gehalt könnten auch in Österreich angebaut werden, da diese Bocksdornsträucher durchaus auch hierzulande gedeihen.

Ähnliche Ergebnisse

Das deutsche Magazin "Öko-Test" hatte im April 2016 ebenfalls unterschiedliche Superfoods getestet. Auch hier zeigte sich: Die Produkte waren teils massiv mit Pestiziden, Mineralöl, Cadmium und weiteren Schadstoffen kontaminiert – auch jene aus biologischem Anbau. Was die gesundheitliche Wirkung betrifft, so überwog auch hier die Skepsis: "Superfood wird meist ein besonders großes antioxidatives Potenzial nachgesagt", so Angela Clausen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Antioxidantien sind Moleküle, die die Körperzellen vor schädlichen freien Radikalen schützen. Freie Radikale stammen etwa aus Zigarettenrauch und Alkohol, entstehen aber auch auf natürliche Weise beim Stoffwechsel im Körper. Zu viele freie Radikale im Körper können oxidativen Stress auslösen, der wiederum Zellschäden verursacht, die im Zusammenhang mit Krankheiten wie Krebs und Diabetes stehen.

Das antioxidative Potenzial von Lebensmittel lässt sich im Reagenzglas messen und wird gelegentlich als ORAC-Wert (Oxygen Radical Absorbance Capacity) angegeben. Er besagt, wie viele freie Radikale mit einem Gramm Saft oder Frucht neutralisiert werden können. "Die ORAC-Werte sind jedoch reine Laborwerte. Die bei der Messung ablaufende Reaktion findet so im menschlichen Körper gar nicht statt", wie Angela Clausen im Öko-Testbericht zitiert wird.

Kritik gibt es schon länger

Neu ist die Kritik am Superfood übrigens nicht. Bereits im Jahr 2012 hielt das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel (EUFIC) in einem Statement fest: "Es ist unrealistisch zu erwarten, dass eine kleine Angebotspalette so genannter Superfoods unser Wohlbefinden signifikant steigert. (...) Um eine ausgewogene Nährstoffaufnahme sicherzustellen, müssen wir uns vielfältiger ernähren, anstatt uns lediglich auf eine Handvoll angeblicher Superfoods zu konzentrieren. (red, APA, 24.6.2016)