Michael Mason (Richard Madden), der nur einen Koffer stehlen wollte, ist die Sache nicht mehr geheuer. Die Wege in "Bastille Day" führen nicht nur durch enge Treppenhäuser und die Sicherungssysteme der französischen Zentralbank, sondern auch über die Dächer von Paris.

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Wien – In politisch radikalen Kreisen unterschied man früher sorgfältig zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Menschen. Wer Sachen beschädigt, ist im Grunde noch Demonstrant. Wer jemanden tötet, überschreitet eine Grenze, hinter der unbekanntes Terrain liegt. Bastille Day beginnt mit einer Frau namens Zoe, die eine Bombe durch Paris trägt. Niemand soll sterben, es geht um Sachschaden – und um Aufsehen. Doch dann tauchen am fraglichen Ort unvermutet Reinigungskräfte auf.

Zoe bekommt Skrupel, sie nimmt die Bombe wieder mit, ein Dieb entwendet ihr die Tasche, wenig später kommt es auf offener Straße zu einer Explosion. Nun hat Paris einen Terroranschlag, einen Verdächtigen (auf Überwachungsbildern), und dazu noch ein perfektes Krisenszenario: Tags darauf ist Nationalfeiertag, nicht auszudenken, wenn das nur ein Prolog war.

In Bastille Day von James Watkins wird alles zusammengeführt, was in der Grande Nation momentan auf dem Spiel steht. Ein renitenter öffentlicher Dienst, auf der anderen Seite erregbare Massen, unruhige Vorstädte, und dann noch der Umstand, dass Paris zum Bastille Day eine republikanische Fanzone sein soll. Das alles bildet den Vordergrund zu einer großangelegten Verschwörung, die nur mit internationaler Hilfe entschärft werden kann.

Heimliche Folterkammer

Der aus der Fernsehserie The Wire bekannte Idriss Elba spielt den CIA-Agenten Sean Briar, einen Mann, der wegen seiner ungehobelten Methoden als Sicherheitsrisiko für die eigenen Belange eingeschätzt wird. Briar begreift schnell, dass der Verdächtige Michael Mason, ein genialer Dieb, mit der Sache, die eigentlich abgeht, nichts zu tun hat. Er manövriert ihn also geschickt durch manche Tür, die einem Unerfahrenen gar nicht auffallen würde, weil sie zu einer heimlichen Folterkammer führt. Des Weiteren führen die Wege über die Dächer von Paris, durch enge Treppenhäuser, und schließlich durch die Sicherungssysteme der französischen Zentralbank.

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Zu diesem Zeitpunkt hat Bastille Day schon alle einschlägigen Codes für den "kommenden Aufstand" und seine islamistischen wie neofaschistischen Varianten aufgerufen und durch den Genremixer gejagt: Wer hier wen steuert und welches infame Spiel treibt, das tut im Grunde nichts mehr zur Sache. Denn würde man das im Detail ernst nehmen, dann müsste man Bastille Day als einen kruden Thriller betrachten, der eilenden Schritts den sorgfältigen Spannungsaufbau großer Vorbilder von Hitchcock bis Frankenheimer überspringt.

Als spekulative Skizze allerdings, die all das in den Innenraum der Macht projiziert, was in der aufgeregten politischen Situation an Feind- und Reizbildern zwischen IS und Anonymous herumschwirrt, ist Bastille Day fast schon wieder auf eine altmodische Weise subversiv in seiner Gewichtung der Gefahrenherde – nur die Propaganda für die amerikanische Geheimdienstarbeit als letzte vernünftige Instanz ist dann doch ein wenig übertrieben. (Bert Rebhandl, 23.6.2016)