Viele Momente, die als Mutter anstrengend erscheinen, wie die durchwachten Nächte, das permanente Wickeln, das Herumtragen, Vorsingen, Schaukeln und Beaufsichtigen, das sehen wir in der Rückschau anders. Weil wir in genau dieser Anstrengung nicht sehen, dass diese Momente viel zu schnell wieder vorbei sind und wir sie entspannter genießen sollten. Es scheint mir oft so, als hätte ich mich seither nur kurz umgedreht, wenn mich die flüchtigen Augenblicke im Alltag einholen, die mich erkennen lassen, dass meine Kinder sich wieder ein Stück weit von mir entfernt haben.

Und dieses Entfernen kann sehr wehtun, obwohl es gleichzeitig wunderschön ist. Es sind große, wichtige Momente für Kinder, wie das erste Mal das Marmeladebrot selbst fürs Frühstück vorbereiten, das erste Mal alleine Rad fahren, das erste Mal alleine ein Glas Wasser holen, das erste Mal alleine duschen gehen, das erste Mal alleine im eigenen Bett einschlafen. Und auch das erste Mal alleine weinen wollen. Und genau dieses alleine Weinen war es, das mein sechsjähriger Sohn vergangene Woche von mir gebraucht hat.

Es ist, was es ist

Österreich hat bei der Europameisterschaft nicht unbedingt eine fußballerische Glanzleistung hingelegt. Die mediale Verteufelung der Mannschaft und des Coaches konnte ich dann aber nicht nachvollziehen. Es ist, was es ist. Ein Spiel mit guten und schlechten Tagen, wie auch im realen Leben. Mein jüngster Sohn allerdings hat dieses Spiel für sich entdeckt. Nicht nur, dass er täglich stundenlang übt, er kennt die Spieler mit Namen und Rückennummer und kommentiert die Spiele mit. Bei der Niederlage gegen Island war er sehr, sehr traurig. Er hat am Ende des Spiels bitterlich geweint, und als ich ihn trösten wollte, da ist er alleine in sein Zimmer gegangen und hat meine Umarmung abgelehnt.

Das war komisch, und irgendwie hart. Weil es das Ende einer Phase markiert hat, in der ich ihn immer trösten konnte. In der er immer meine Nähe gesucht hat, wenn es ihm schlecht gegangen ist. Es war eine Situation, die auch für mich so neu war, dass ich mich darin erst zurechtfinden musste. Er hat mir nachher erklärt, dass ich das nicht verstehen kann, was grad innen drinnen in ihm passiert. Dabei dachte ich doch so lange, ich verstehe alles, was ihn betrifft, was ihn freut, ihn schmerzt. Mein Kind, das ich geboren habe, dem ich mich so verbunden fühle.

Kinder sind Gäste

Ich habe mich dann daran erinnert, wie es war, als ich ihn das erste Mal im Arm gehalten habe, wie weit das plötzlich weg zu sein scheint, wo er mich doch jetzt nicht immer andauernd und für alles braucht. Ich habe gewusst, dass diese Momente kommen. Ich habe nur nicht gewusst, dass sie immer wieder doch wehtun und mich immer wieder so überraschen. Ich weiß, dass Kinder nur Gäste sind, die nach dem Weg fragen. Aber sich darin einzufinden, das müssen nicht nur Kinder, das müssen auch Eltern immer wieder aufs Neue lernen.

Und irgendwann viel später nach dem ersten Marmeladebrot steht man dann als Elternteil im Festsaal einer Schule, sieht eines seiner Kinder ein Maturazeugnis von der Direktorin entgegennehmen und hört die lobenden Worte des Klassenvorstands. Und weint, weil das eigene Kind so strahlt. Aber nicht nur deshalb, auch, weil man selbst weiß, dass jetzt ein ganz wichtiger Lebensabschnitt nicht nur für das Kind, sondern auch für einen selbst vorbei ist. Und weil man sich fragt, ob man alles richtig gemacht hat – für das Kind, mit dem Kind. (Sanna Weisz, 26.7.2016)