In dünnen silbernen Overalls treten die Außerirdischen auf und konfrontieren die Erdlinge mit ihren Vorstellungen des Paradieses: In Claudia Bosses Performanceprojekt wird auch vertrauter urbaner Raum neu definiert.

Foto: Eva Würdinger

Wien – Im Bezirk Mariahilf, unten an der Mollardgasse, ist ein Ufo gelandet. In einer Baulücke steht ein silbriger Container. Maskierte Aliens steigen aus. Farblich passend zu ihrem Raumschiff tragen sie dünne Overalls, die sie daheim auf ihrem – von uns aus gesehen – Exoplaneten vermutlich eher billig erstanden haben. So beginnt der letzte Akt von Claudia Bosses performativem Großprojekt (katastrophen 11/15) Ideal Paradise, der am Samstag letztmalig zu erfahren ist.

"So", haben sich die Raumreisenden offenbar gedacht, "jetzt führen wir den Erdlingen, die an zwei Seiten entlang der Bauschuttwüste Platz genommen haben, etwas auf." Sie bewegen sich anfangs eher zögernd, die Buchstaben I, D, E, A, L, P, A, R, A, D, I, S und E leuchten gelb von einer Wand. "Das Paradies ist der Erdbewohner Ideal", mögen die Gelandeten überlegt haben. "Verständlich, die leben ja immer am Rand der Katastrophe." Heiß ist es dort, wo Google Earth noch heute ein verträumtes Eckhaus mit großem Baum im Innenhof zeigt. Der Baum ist auch weg. Triste Aussichten auf einen öden Neubau.

Schlaue Außerirdische

Wir wissen natürlich nicht, was Außerirdische wirklich denken, aber diese waren schlau. Sie haben sich Claudia Bosse untertan gemacht – oder sich ihr unterworfen, so ganz klar wird das nicht – und als Fremdenführerin engagiert. Dann brauchten sie nur noch in die Körper von Performerinnen und Performern wie Rotraud Kern, Günther Auer oder Alexandra Sommerfeld zu fahren: Fertig war das Exo-Theatercombinat. Dieses spekulierte darauf, dass die Erdlinge auch dort Fremdlinge sind, wo sie wohnen. Also wurde das Publikum mit sanftem Druck dazu gebracht, die auf Stangen montierten, leuchtenden Buchstaben zu tragen und zu einer Führung aufzubrechen.

Die gemeinen Erdlinge genießen einen sehr schlechten Ruf – wahrscheinlich zu Recht. Daher machen sich die Aliens hier einen Spaß daraus, Claudia Bosse als Blickverstärkerin einzusetzen, die ihre Karawane zu Sensibilität gegenüber den Rändern auffordert und bis hin zur Carla (dem Lager der Caritas in Wien-Margareten) alles kommentiert, was ihr so in den Gassen auffällt.

In der Haut der anderen

Die freundliche Fremdenführerin weist der Fantasie der ihr Anvertrauten den Weg. In der Carla warten zwanzig weitere Aliens, diesmal ohne Silberoveralls, dafür in den T-Shirts respektive in der Haut ganz normaler, sehr sympathischer Erdenbürgerinnen und -bürger, die das Second-Hand-Paradies ausloten, ein bisserl durchrütteln und als Chor beschallen.

Die Mitgebrachten staunen ein wenig – und etliche Alzerln weniger, je länger der Aufenthalt dauert. Dann geht die Wanderung weiter: bis zu einem Beserlpark mit Spielplatz, wohin die Exo-Performer Holzstangen gebracht haben. Ein einheimischer Bub greift sich an den Kopf: "Jetz san de scho wieder da. Immer wann i Ball spielen will! Mama, wos machn die da?" Die Mama lächelt milde angesichts der Gruppe, die den örtlichen Korbballkäfig gesquattet haben und ihre Körper mit den Holzstangen zu verbinden suchen. Abschließend geht es weiter zum Oberen Belvedere. Dort wartet eine Überraschung.

Fazit: Das Katastrophische reicht bis tief in die Entfremdung des Erdlings von seiner Umgebung und von seinesgleichen. Das Paradies ist nirgendwo und bleibt daher ein Ideal, was das Unglück zur Farce werden lässt. Zu ihrem Glück sind die Aliens in dieser Performance so verbindlich, dass sie die Tour unbeschadet überstehen. (Helmut Ploebst, 25.6.2016)