Bei einem Infoabend stellt Joseph Park sein gemeinschaftliches Geschäftsmodell vor, mit dem er Nordkoreanern helfen will.

Foto: Fabian Kretschmer

Joseph Park würde sich wohl gut in den Konferenzräumen kalifornischer Start-ups zurechtfinden: einnehmendes Siegerlächeln, ansteckender Tatendrang, ein Machertyp eben. Wer die Herkunft des 34-Jährigen erfährt, reagiert oft überrascht. Nordkorea, das weckt meist Negativbilder von Soldaten mit Fellmützen und eiserner Miene oder einem rundlichen Diktator mit Hipster-Haarschnitt. Einen smarten Jungunternehmer haben nur die wenigsten auf der Liste.

An diesem Abend hat Park Freunde und Wegbegleiter zum Infoabend in sein Café geladen. Serviert werden nordkoreanische Snacks, Reisbällchen mit Tofu gefüllt, dazu feurig-rote Chilipaste und getrockneter Seetang. Auf einem Poster prangt in fetten Lettern das Motto des Abends: "Was kannst du für ein wiedervereinigtes Korea tun?"

Hilfe statt Ausbeutung

Joseph Park hat diese Frage vor zwei Jahren mit der Gründung des Yovel Café beantwortet. Zwar gebe es bereits unzählige Kaffeehäuser, die nordkoreanische Flüchtlinge beschäftigen, sagt er. Dort würden sie jedoch bloß als billige Arbeitskräfte herumkommandiert. Nordkoreaner, die einst vor der Sklaverei der politischen Diktatur flohen, würden nun erneut zu Gefangenen des kapitalistischen Systems einer Welt, die ihnen fremd bleibt.

Das Yovel Café hingegen wird genossenschaftlich geführt, von der Einrichtung bis hin zu den Preisen der Cappuccini werden die Entscheidungen gemeinsam im Team getragen. Für symbolische Beträge ab umgerechnet zehn Euro können sich Nordkoreaner mit Mikrokrediten als Miteigentümer einkaufen. Sie werden als Baristi ausgebildet, doch letztendlich sollen sie lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Noch schreibe das Kaffeehaus keine schwarzen Zahlen, doch schneller Profit sei auch gar nicht das Ziel, sagt Park.

Fremdes Südkorea

Im Publikum sitzt die Nordkoreanerin Jeong Seo-yoon. Auch sie musste bei ihrer Ankunft in Seoul viele Alltäglichkeiten neu erlernen: etwa wie man eine Kreditkarte benutzt, wie Handys oder Computer. Auch wenn die 28-Jährige mittlerweile ihr halbes Leben lang in Südkorea wohnt, dieselbe Sprache spricht und aus demselben Kulturkreis stammt, fühlt sie sich nicht wirklich zugehörig. "Während meiner Flucht habe ich in China und der Mongolei die verschiedensten Menschen kennengelernt", sagt sie. Im homogenen Südkorea hingegen hätten die Leute kaum Chancen, andere Migranten zu treffen. "Anderssein wird oft mit Schlechtersein gleichgesetzt".

Tatsächlich lebt das Gros der nordkoreanischen Flüchtlinge in ihrer Wahlheimat unter tristen Umständen, obwohl Südkorea vierzigmal wohlhabender ist als der bitterarme Norden. Dennoch ist die Selbstmordrate unter Nordkoreanern dreimal höher als der südkoreanische Landesdurchschnitt, der höchste aller OECD-Länder. Viele leiden unter Depressionen und finanziellen Problemen. Die gesättigte Gesellschaft Südkoreas tut sich schwer, ihre 28.000 Brüder und Schwestern aus dem Norden willkommen zu heißen.

"Jede Diskussion über Wiedervereinigung bleibt in Südkorea sehr abstrakt. Es wird zwar gesagt, dass wir die Wiedervereinigung brauchten, aber dem folgen keine Taten – keine Lösungsvorschläge", sagt Lehrerin Lee Na-young, die auch an diesem Abend gekommen ist. Die 30-Jährige hat in ihrer Schule als bisher erster landesweit ein wöchentliches Pflichtfach namens Wiedervereinigung eingeführt. Dort zeigt sie Dokumentationen über das vereinte Deutschland und diskutiert mit ihren Schülern darüber. "Das Beeindruckendste ist, Nordkoreaner in den Unterricht einzuladen", sagt sie: "Wenn sie sich persönlich kennenlernen, ist das sehr bewegend für die Schüler". (Fabian Kretschmer aus Seoul, 26.6.2016)