Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei PP bei der Stimmabgabe.

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"Sorpasso" – "Überholmanöver" – hieß das Modewort im spanischen Wahlkampf. Denn die zentrale Frage war: Kann das linke Wahlbündnis Unidos Podemos diesmal die altehrwürdige sozialistische PSOE überholen oder nicht? Alle Umfragen sahen das Bündnis aus der linken ehemaligen Protestpartei Podemos und der Vereinigten Linken (Izquierda Unida, IU) mit rund 24 Prozent der Stimmen mit bis zu vier Punkten vor den Sozialisten. Und nur drei bis vier Punkte hinter der PP von Interimspremier Mariano Rajoy.

Hintergrund ist auch die Sitzverteilung. Das spanische Wahlrecht begünstigt die großen Parteien und die Stimmen in den kleinen Provinzen. Dort, auf dem flachen Land, tut sich Unidos Podemos schwer. In den Ballungsgebieten wie Madrid, Katalonien, Valencia und dem Baskenland liegt die Antiausteritätsformation deutlich vor der PSOE.

Das ist auch der Grund für den Zusammenschluss der beiden linken Gruppen. Bei den Wahlen im Dezember hatte Podemos 69 und die IU zwei Sitze erhalten. Gemeinsam hoffte man, dürfte es bei gleichem Prozentanteil deutlich mehr werden – mit einer geschwächten PSOE wollte man dann aus einer Position über eine linke Koalition sprechen. Die Sozialisten ließen im Wahlkampf offen, ob sie mitspielen würden.

Im Dezember weigerte sich der kleine Parteitag der PSOE noch strikt, mit Podemos zu koalieren. Stattdessen schloss sich die PSOE mit der rechtsliberalen Bürgerpartei Ciudadanos zusammen – dieses Bündnis wiederum wollte Podemos nicht unterstützen. Nach nur sechs Monaten musste daher nun neu gewählt werden.

Spanisches Briefwahlfieber

Die Wahlbeteiligung ließ jedenfalls wenig Änderung im Vergleich zum Dezember erkennen. Sie lag am späten Nachmittag nur knapp unter dem Wert von 2015. Viele Spanier hatten allerdings schon in den Tagen zuvor ihre Stimme per Briefwahl abgegeben. Mit 1,3 Millionen sind es 86,5 Prozent mehr als im Dezember. Bereits damals lag die Briefwahlbeteiligung über der früherer Jahren.

Die bisher regierende Volkspartei PP hatte gehofft, die Unfähigkeit der linken Parteien, sich über eine Koalition handelseins zu werden, zu ihrem Vorteil nützen zu können. Sie sah sich dabei von Umfragen bestätigt, die ihr tatsächlich nach den massiven Verlusten vom Dezember wieder einen Aufwärtstrend attestierten – und den Wählern ein Bedürfnis nach politischer Stabilität.

Aber auch Unidos Podemos gab sich beflügelt. Selbst in kleinen Dörfern führte das Wahlbündnis Bürgerfragestunden und Meetings durch – eine merkliche Professionalisierung in der politischen Kommunikation der jungen Partei. Zur Abschlusskundgebung in Madrid kamen am Freitagabend 15.000 Menschen zusammen. Parteichef Pablo Iglesias zitierte den ermordeten sozialistischen Regierungschef Chiles, Salvador Allende. "Die Geschichte gehört uns, und sie wird durch die Völker geschrieben", rief er – und bot der PSOE abermals eine Koalition an.

Diese schloss ihre Kampagne weniger zuversichtlich in Sevilla, der Hauptstadt ihrer letzten Hochburg Andalusien. Alle Redner, Spitzenkandidat Pedro Sánchez eingeschlossen, kannten nur ein Thema, den "Sorpasso" einzubremsen. Sánchez verglich Iglesias mit jenen Briten, die den Brexit erreichten. All das ist kein gutes Omen für eventuelle Verhandlungen. So mancher sozialistische Parteifürst, unter ihnen die Andalusierin Díaz, setzt aber ohnehin eher auf eine große Koalition. (Reiner Wandler aus Madrid, 27.6.2016)