Hätten die Genossen am Samstag nicht Christian Kern zu ihrem neuen "Sonnenkönig" gekürt, man könnte angesichts der internationalen Turbulenzen glatt vergessen, dass es auch noch österreichische Innenpolitik gibt: Die Verfassungsrichter brüten über der Bundespräsidentenwahl, die Bildungsreform dämmert den Ferien entgegen, das Flüchtlingsthema ist eher am Rande eins, weil der Außenminister anderweitig beschäftigt ist. Man könnte fast meinen, der Sommerfriede sei ausgebrochen.

Der Schein trügt. Denn fragt man nach, ob das Koalitionsklima noch so schön warm sei wie am Anfang, hört man, die nächste Kaltfront sei bereits im Anmarsch. Der anfängliche Zauber, von ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner beschworen, stellte sich dank eines anderen Reinholds (Lopatka, ÖVP-Klubobmann) schon bei der Wahl der Rechnungshofpräsidentin als faul heraus. Rot und Schwarz paktierten wie eh und je (man könnte es auch "mauscheln" nennen) – und die SPÖ ließ sich um des lieben Koalitionsfriedens willen auf eine Kompromisskandidatin ein. Der rote Frust hinterher war groß – auch das ist nicht neu.

Man darf nun gespannt sein, was die Wahl zum ORF-Generaldirektor im August zeigen wird. Dass der bisherige kaufmännische Direktor Richard Grasl nun doch als bürgerlicher Kandidat antritt, überrascht insofern, als man nach bisheriger Koalitionslogik getrost davon ausgehen durfte: Wenn der eine (ÖVP) den Rechnungshof bekommt, kriegt der andere (SPÖ) den ORF. Das hätte einen konkurrenzlosen Durchmarsch für Alexander Wrabetz bedeutet. Das zumindest ist nun nicht der Fall: Grasl scheint ernst zu nehmende Signale zu haben, dass ihn eine Mehrheit im Stiftungsrat unterstützen wird. Die Genossen schauen mit Argusaugen auf den Küniglberg.

Im Gegenzug empört sich die ÖVP über den neuen Kanzler und seine alte Idee von der "Maschinensteuer". Nicht einmal daran denken solle er, wird ihm wenig freundlich ausgerichtet; dieser sprach am roten Bundesparteitag am Wochenende sehr ausführlich darüber, wie er sich Jobanreize und mehr steuerliche Gerechtigkeit in einer immer prekärer werdenden Arbeitswelt vorstellt. Auch das Pfui-Wort Vermögenssteuer nahm Kern in den Mund, damit macht er sich beim Koalitionspartner keine Freunde.

Die spannende Frage ist, wie es in der Bundesregierung weitergeht. Kern muss der SPÖ Profil geben – das kann er nur im Gegensatz zur ÖVP tun. Wie das mit einem Bekenntnis zur Koalition bis 2018 zusammengeht, wie groß die "Kompromisse" sein werden, die Kern auch auf dem Parteitag in Aussicht gestellt hat, wird sich bald zeigen. Denn die Störfeuer und Liebäugeleien mit anderen Koalitionsformen werden in beiden Parteien eher nicht abnehmen.

Kern hat am Parteitag mit der Bemerkung aufhorchen lassen, das Projekt "Reform SPÖ" sei größer als die Kanzlerschaft und auf mindestens zehn Jahre angelegt. Das kann vieles bedeuten – aber eher keine Warmwetterperiode für die jetzige Regierung. (Petra Stuiber, 26.6.2016)