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Namen der fast 100.000 Menschen aus 70 Nationen, die in Mauthausen oder einem seiner 50 Nebenlager ermordet wurden.

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Guy Dockendorf, der Sprecher des Opferkomitees von Mauthausen, betont, dass jedes Opfer gleich viel zählt, und wehrt sich gegen Vereinnahmungen.

Foto: Comité International de Mauthaus

Wien – Im Internationalen Opferkomitee von Mauthausen (Comité International de Mauthausen, CIM) herrscht Irritation: "Wir sprechen uns grundsätzlich gegen nationale Vereinnahmung aus – von welcher Seite auch immer", sagt Komitee-Sprecher Guy Dockendorf zum STANDARD. Die Botschaft ist an eine bestimmte Nation gerichtet – an die polnische. Von der fühlt sich das Komitee derzeit ein wenig düpiert.

Der Grund: In der kommenden Woche berät der Innenausschuss des Nationalrats darüber, ob die Gedenkstätte Mauthausen aus dem Innenministerium ausgelagert und zur eigenen Bundesanstalt umgewandelt werden soll. Nicht nur die Grünen äußerten sich im Vorfeld kritisch (Bildungssprecher Harald Walser sprach sich für die Schaffung einer Stiftung aus, die beim Parlament angesiedelt werden sollte). Via Presse meldete sich nun auch der polnische Botschafter Artur Lorkowski zu Wort – und zwar namens der polnischen Opferverbände.

Zu wenig Mitsprache?

Der Diplomat beschwerte sich darüber, dass die internationalen Opferverbände zu wenig Mitspracherecht hätten – und obendrein forderte er die Umbenennung der Gedenkstätte in "Memorial Mauthausen-Gusen". Der Grund: In den drei Außenlagern in Gusen seien vornehmlich polnische Staatsbürger inhaftiert und getötet worden. Mit dem Doppelnamen werde klar, dass Mauthausen auch Außenlager gehabt habe.

Dieser Sichtweise widerspricht Komitee-Sprecher Dockendorf diametral – wenngleich sich der gebürtige Luxemburger seinerseits um Diplomatie bemüht: "Mit einer rein historischen Sichtweise kann man so argumentieren", formuliert Dockendorf. Aber im CIM sei man übereingekommen, "dass jedes Opfer, egal welcher Nation, eines zu viel war". Es mache keinen Sinn, einzelne Nationen besonders hervorzustreichen oder aber einzelne Lager, in denen besonders viele Menschen gefoltert und getötet wurden. Dockendorf: "Zählt das Lager am Loiblpass künftig weniger, weil dort weniger Menschen umkamen als etwa in Gusen oder Mauthausen?"

"Mauthausener" gedenken

Gegen eine namentliche Hervorhebung von Gusen spreche auch, dass viele Überlebende sich bis zum heutigen Tag selbst als "Mauthausener" bezeichneten – egal, in welchem der rund 50 Außenlager sie inhaftiert waren. Angehörige von etwa 70 Nationen sind vom Nazi-Terror in Mauthausen betroffen – nur etwa zehn Prozent davon deutschsprachig.

Für den Vorwurf, es gebe in der neuen, ausgelagerten Bundesanstalt Memorial Mauthausen zu wenig Mitsprache für die Opferverbände, bringt Dockendorf ebenfalls wenig Verständnis auf: "Wir haben uns mit den Vertretern der Regierung mehrfach zusammengesetzt und uns darauf verständigt, dass wir als Komitee einen Vertreter ins Kuratorium entsenden werden." Das sei für das CIM "sehr in Ordnung", sagt er.

Polnische Regierungslinie

Die Forderung Polens geht weiter: Im Kuratorium sollten auch Ländervertreter der Opfernationen sitzen. Dockendorf dazu: "Wir sind der Meinung, dass es nicht sein kann, dass ein Land die Gedenkzeremonien aus nationalen Erwägungen für sich beansprucht."

Worauf der Luxemburger, dessen Vater ein Mauthausen-Überlebender war, anspielt: In Polens rechtsnationaler Regierung gibt es Bestrebungen, die Rolle des Landes während des Nazi-Terrors in ein helleres Licht zu stellen.

"Heroisches" Gedenken

So wurde etwa im Polnischen Karpatenvorland im März ein "Museum der Polen, die Juden retteten" eröffnet – die Regierung nutzte das, um ihr eigenes, wenig differenziertes Geschichtsbild über die Rolle der Polen im Nationalsozialismus zu transportieren. PiS-Chef Jarosław Kaczyński etwa sagte in diesem Zusammenhang, Polen müsse sich gegen finstere Lügen verteidigen, die in "verschiedenen Ländern" und "manchen Kreisen" häufig zu hören seien.

Mit der Ausgliederung der Gedenkstätte Mauthausen zeigt sich CIM-Sprecher Dockendorf jedenfalls zufrieden: "Wir können mit der Ausgliederung gut leben." Nationalistischen Tendenzen will das Internationale Mauthausen-Komitee künftig aktiv begegnen: Die Gedenkveranstaltung im kommenden Jahr soll ganz im Zeichen der Warnung vor überbordendem Nationalismus stehen. (Petra Stuiber, 28.6.2015)