Wien – Der 3. Juli 2016 markiert einen wichtigen Tag für Wertpapieremittenten und sonstige Teilnehmer am europäischen Kapitalmarkt. Da erlangen nicht nur zahlreiche Regelungen der europäischen Marktmissbrauchsverordnung (MAR) unmittelbare Geltung in der gesamten EU, sondern auch eine Vielzahl die MAR ergänzender Rechtsakte und verdrängen etwa in Österreich die entsprechenden Regelungen des Börsegesetzes.
Bis zu dem Tag muss auch die neue Marktmissbrauchsrichtlinie (CRIM-MAD), die Strafen bei Verstößen gegen die MAR-Bestimmungen regelt, in nationales Recht umgesetzt sein. Insgesamt bringt das wesentliche Änderungen.
Marktmissbrauch wird künftig in weit mehr Bereichen geahndet als bisher. So gelten die neuen Regelungen nicht nur für "geregelte Märkte", z. B. den Amtlichen Handel oder den Geregelten Freiverkehr der Wiener Börse, sondern etwa auch für multilaterale Handelssysteme – wie insbesondere den "Dritten Markt" der Wiener Börse, für den bis dato nur wenige Compliance-Vorschriften bestehen.
Ausdehnung
Für die meisten Teilnehmer am "Dritten Markt" bedeutet dies, dass nunmehr auch Ad-hoc-Publizität, das "Directors' Dealings"-Regime, Insiderlisten und die Regeln der "Emittenten-Compliance-Verordnung" der Finanzmarktaufsicht (FMA) für sie gelten.
Ausgedehnt wird auch der Anwendungsbereich für "Directors' Dealings", wenn Führungskräfte von Emittenten und Personen, die ihnen nahestehen, Eigengeschäfte mit Wertpapieren dieses Emittenten abwickeln: Umfasst sind nicht mehr bloß der entgeltliche Erwerb oder Verkauf, sondern künftig jegliche Eigengeschäfte – ob nun Schenkungen, Spenden oder Erbschaften. Dies gilt für Aktien, aktienähnliche Wertpapiere sowie darauf basierende Derivate und künftig auch für Schuldtitel wie z. B. Anleihen.
Dazu kommen neue Informations- und Dokumentationspflichten für Emittenten und Führungskräfte und deutlich weniger Zeit, erfasste Geschäfte bekanntzugeben: Die Frist wurde von fünf auf drei Geschäftstage verkürzt.
Keine echte Erleichterung
Mit dem Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen bringt das neue Marktmissbrauchsregime eine wohl nur vermeintliche Erleichterung für Emittenten. Mussten sie bisher die FMA unverzüglich über den Aufschub einer Ad-hoc-Meldung informieren, so müssen sie dies nun erst nach Veröffentlichung der aufgeschobenen Ad-hoc-Meldung tun.
Darüber hinaus soll nach der aktuellen Regierungsvorlage der Aufschub nicht sofort begründet werden müssen, sondern eine solche Begründung ist erst auf ausdrückliche Anfrage der FMA zu liefern. Da den Emittenten jedoch anzuraten ist, weiterhin schon bei der Entscheidung über einen Aufschub das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechend zu prüfen und auch zu dokumentieren, handelt es hier um keine eigentliche Erleichterung. Kann der Emittent nämlich nicht nachweisen, dass ein Aufschub zulässig war, kommt er in größte Schwierigkeiten.
Die Verwaltungsstrafen für Verstöße gegen das Marktmissbrauchsregime erhöhen sich nämlich drastisch. So drohen natürlichen Personen:
- bis zu fünf Millionen Euro bei Verstößen gegen Insiderhandel- und Marktmanipulationsverbote;
- bis zu eine Million Euro bei Verletzung der Ad-hoc-Pflicht (bisher bis zu 60.000 Euro);
- bis 500.000 Euro bei diversen anderen Verwaltungsübertretungen wie Insiderlisten oder "Directors' Dealings", die bisher nur mit an die 60.000 Euro geahndet wurden.
Darüber hinaus kann die FMA zusätzlich auch gegen juristische Personen Geldstrafen verhängen:
- bis zu 15 Millionen Euro oder 15 Prozent des jährlichen Konzernumsatzes bei Verstößen gegen Insiderhandel und Marktmanipulationsverbote;
- bis zu 2,5 Millionen Euro oder zwei Prozent des jährlichen Konzernumsatzes bei Verletzung der Ad-hoc-Pflicht;
- und bis zu eine Million Euro bei anderen Verwaltungsübertretungen.
In all diesen Fällen hat die FMA auch die Möglichkeit, Verwaltungsstrafen bis zum Dreifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens zu verhängen, einschließlich eines vermiedenen Verlustes.
Für die schwersten Verstöße gegen die Verbote des Insiderhandels und der Marktmanipulation drohen überdies hohe gerichtliche Strafen:
- sechs Monate bis fünf Jahre für die meisten Verstöße gegen das Verbot des Insiderhandels so- wie für Marktmanipulation bei Geschäften/Handelsaufträgen von mehr als einer Million Euro;
- und bis zu drei Jahre für unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen.
Interessant ist, dass der österreichische Gesetzgeber hier "Gold-Plating" betrieb, indem er bei den gerichtlichen Strafen über die EU-Mindestanforderungen hinausgeht: Nach der CRIM-MAD wären nämlich keine Mindeststrafen und Höchststrafen von "nur" vier Jahren zu etablieren. (Christoph Brogyányi Clemens Burian, 27.6.2016)