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Götz George als Schimanski bei den Dreharbeiten zum ARD-Kriminalfilm "Schimanski: Loverboy".

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Götz George mit Kollegin Hannelore Elsner, Köln 2014.

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Götz George und Manfred Deix sind tot. Zwei Helden der Gegenwart, die besten ihrer Zunft, obendrein aufrechte Bartträger verabschiedeten sich, und noch lässt sich nur erahnen, wie schwer der Verlust wiegt. Deix, der mit seinen Zeichnungen mitten ins Mark des österreichischen Fettkörpers traf, George, der als einer der kompromisslosesten Schauspieler dem deutschsprachigen Fernsehen seinen unverwechselbaren Stempel aufdrückte und es nachhaltig veränderte. Die Welt verliert die zwei größten Bartträger zwischen Wien und Hamburg. Wie Montagfrüh bekannt wurde, starb der Schauspieler Götz George am 19. Juni, der Karikaturist Manfred Deix am 27. Juni.

Götz George wurde am 23. Juli 1938 geboren. Sein Vater Heinrich gehörte zu den Berühmtesten in Film und Theater, die Mutter Berta Drews war ein gefeierter Bühnenstar. Die nationalsozialistische Vergangenheit beider verarbeitete der Sohn 2013 in einem Fernsehfilm, für den er in die Rolle des Vaters schlüpfte. Eine Unmittelbarkeit, die George stets lebte und brauchte.

Mit seiner Mutter stand er in den Anfangsjahren seiner schauspielerischen Karriere oft auf der Bühne, es folgten Rollen in Film und Fernsehen, etwa als knackiger Kuhbub in den Karl-May-Filmen "Der Schatz am Silbersee", "Unter Geiern" und "Winnetou und das Halbblut Apanatschi".

Das deutsche Fernsehen prägte George mit der Rolle des Horst Schimanski wie kein Zweiter. Krimi, das war bis dahin eine glatte Sache. Die Bösen waren böse, die Guten gut, die Helden heldenhaft, und dazwischen war nichts.

Schimi brachte dieses geordnete, patriarchale, faschistoide Bild zum Einsturz: Gar nichts war gut mitten im Deutschland der 1980er-Jahre, die Bonzen, der Ruhrpott, der Dreck, der Gestank, all das hatte es in sich, und mittendrin war ein Kommissar, der im Parka ermittelte, sich um Konventionen und Hierarchien nicht scherte und deshalb Folge um Folge getögelt wurde, bis die Lippe platzte. Unvergessen, wie Schimi den mit sich ringenden Kommissar gab und dabei dieses gewisse Stammeln die Sprachlosigkeit der Generation in Gefühlsdingen auf die Spitze trieb: "Komm, komm! Du, Mensch, du, das kannste doch nicht machen! Mensch, du." Oder einfach nur und immer wieder: "Scheiße."

Von 1981 bis 1991 spielte George den Schimanski mit vollem Einsatz, die Stunts machte er selbst, und manch einer hätte glauben wollen, er ist es, und das war es. Doch George schaffte den Sprung aus der Schublade. Bereits in ersten Filme der "Post-Schimi-Ära", etwa in "Der Sandmann", gelang ihm ein weiterer Höhepunkt deutscher Fernsehgeschichte: In der Rolle eines vermeintlichen Serienmörders stellte er erneut gängige Täter-Opfer-Rollen auf den Kopf.

Was folgte, ist von bleibendem Wert: Seine größte Rolle im Kino war jene des Serienmörders Fritz Haarmann 1995 in Romuald Karmakars "Der Totmacher". Den KZ-Arzt Josef Mengele verkörperte er 1999. Bei Helmut Dietls "Schtonk!" und "Rossini" erwies er sich als ebenso firm im Spiel des windigen und schwindligen Zeitgenossen, auch so ein Typus, mit dem man eine Gesellschaft beschreiben kann.

Zu fünf Schimanski-"Tatorts" ließ er sich in den 2000er-Jahren überreden, es war nicht mehr dasselbe oder anders: zu viel des Guten. Dass sich George in späteren Rollen mitunter im Detail verlor, war seiner Faszination und seiner Leidenschaft für den Schauspielerberuf geschuldet.

Interviews mochte er nicht besonders, bei Pressekonferenzen spielte er gern "grumpy old man" – mit hohem Unterhaltungswert. Die Autorin erinnert sich an einen Medientermin zum Fernsehfilm "Blatt und Blüte" mit Christiane Hörbiger. Hörbiger stand den mäßig originellen Journalistenfragen brav Rede und Antwort. George sah still zu, und als er an der Reihe war, fragte er mit süffisantem Lächeln, ob er denn jetzt auch denselben Senf verzapfen solle wie seine Vorrednerin. Gewonnen.

Götz George starb, wie am Montag bekannt wurde, am 19. Juni im Alter von 77 Jahren. (Doris Priesching, 27.6.2016)