Manfred Deix, Karikaturist des österreichischen Typs und oberster Beach-Boys-Fan, ist 67-jährig gestorben.

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Manfred Deix: "Sollen Priester heiraten dürfen?" Aus der Ausstellung '"Für immer Deix" im Karikaturmuseum Krems.

(Begleittext: Sollten die Forderungen der 400.000 Kirchenvolksbegehren-Unterzeichner wirklich durchgehen, wird die Kirche bald nicht mehr wiederzuerkennen sein, 1995 Landessammlungen Niederösterreich Foto: Christoph Fuchs © Manfred Deix, 2016)

© Manfred Deix, 2016

Deix mit einem seiner Bücher im Jahr 2009.

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Der Karikaturist bei der Arbeit.

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Wien – Den lieben Gott zeichnete er mit mehreren Brüsten, Zumpferln, Bart, Heiligenschein und drei Köpfen verschiedener Ethnien. Oder als einen, der auf die Erde ein Trümmerl abwirft. Oder als vieräugigen Kopffüßler. Oder als weißbärtigen Gnom, dem aus dem Kopf ein Kruzifix wächst.

Jedenfalls, so ist deutlich zu sehen, ist Gott bei Manfred Deix eine ziemlich scheußliche Missgeburt. Nun könnte man sich vorstellen, was Manfred Deix sagen würde, stünde er in diesem Augenblick vor einer solchen Witzfigur. Zuerst würde ihm wahrscheinlich die Spucke wegbleiben, recht schnell hätte er sich gefangen, und dann hätte er den dreitutteligen Gott mit ziemlicher Sicherheit ausgelacht. Und der liebe Gott? Hätte er mitgelacht?

Aber wer weiß schon, ob sich das alles so zuträgt. Und überhaupt: Ist es von Bedeutung? Der Karikaturist Manfred Deix ist tot, mit ihm verliert Österreich einen der letzten "wilden Hunde".

Zeichner von klein auf

Seine Eltern hätten ihn gern als Wirt oder als Fleischhauer gesehen. Der kleine Manfred ließ den elterlichen Schankbetrieb "Zur blauen Weintraube" in Böheimkirchen links liegen und ließ sich im Boxen trainieren.

Das Talent zum Zeichnen entdeckte er früh, und auch, es richtig zu verwenden: Die ersten Zeichnungen veröffentlicht er als Elfjähriger 1960 in der "Niederösterreichischen Kirchenzeitung". Die Schulkollegen stehen da schon Schlange für die von ihm gezeichneten Nackerbazln und zahlen bereitwillig zehn bis 15 Groschen. Deix kassiert und lernt. Auch von Wilhelm Busch, den er inhaliert.

Seine spätere Frau Marietta trifft er mit 14. Die Liebe entflammt von ihrer Seite erst später, als er schon in Wien an der Graphischen studiert. Oder, besser gesagt, das Leben lernt. Vormittags besucht er mit dem späteren Roncalli-Gründer Bernhard Paul und Gottfried Helnwein Aktzeichnen. Am Nachmittag sehen die Professoren den goscherten Studenten selten, was den Rausschmiss zur Folge hat. Deix fährt nach Las Vegas, trifft seine Idole, die Beach Boys, und heiratet Marietta.

Seine Zeichnungen erscheinen bereits in "Profil", "Trend", "Economy" und "Neue Freie Presse", bald ist er auf dem Titelblatt von "Stern", "Spiegel", "Playboy" und in den Satirezeitschriften "Pardon" und "Titanic". Von 1991 bis 1995 veröffentlichte er in der "Krone", von 1996 bis März 2015 in "News". Für die Zigarettenmarke Casablanca entwarf er Werbeplakate. In zahlreichen Büchern ist sein Oeuvre zu studieren, im Kremser Karikaturenmuseum ist ihm eine Dauerausstellung gewidmet.

Lustzeichner und Harmoniejunkie

Deix selbst bezeichnete sich als "Lustzeichner", aber auch als "Harmoniejunkie". Und genau so lassen sich seine Kreaturen lesen: Als die ganz normale oder, besser, grindige Grundnatur von Herrn und Frau Österreicher, vornehmlich bei diversen Verrichtungen des Alltags zwischen Sadomaso-Sex und Muttermord inklusive saftigen Versen und allem, was dazugehört: Zumpferln, Dutteln, Wabbelbäuchen, Hängeärschen, Bremsspuren, Ejakulationsflecken.

Alfred Gusenbauer bekam so gut wie immer ein Rotweinglas in die Hand, Arnold Schwarzenegger ging niemals ohne Zigarrenphallus raus, Susanne Riess-Passer war bei ihm in Wirklichkeit ein Mann, Heinz-Christian Strache befolgte den Camouflage-Dresscode, Kurt Krenn blies der Wind die Kutte hoch, dem Typus Topmanager zeichnete er den Hintern ins Gesicht. Man mag lachen oder weinen bei diesem Anblick. Grausen tut es einen eigentlich immer. Und das war Deix vermutlich stets die größte Lust.

Mit Gott hatte er generell seine Schwierigkeiten, wenngleich auch weniger der spirituellen Art. An ihn zu glauben, dazu fehlte ihm der Schleierblick. Über einen solchen verfügten die zornigen Katholiken. 1995 klagten sie ihn für seine Darstellung des Sohns Gottes als Störenfried, Schürzenjäger und wehleidigen Gekreuzigten. 2009 warfen ihm mehrere Diakone der Erzdiözese Wien NS-Wiederbetätigung vor. Deix reagierte wie ein Sir: Er zeigte sich enttäuscht, dass sich nur drei Diakone beschwerten.

Klagen gehörten zum täglichen Brot, von dem die Karikierten reichlich gaben, darunter Jörg Haider und viele andere "ordentliche" Bürger des Landes, die sich von ihm beleidigt fühlten: nicht nur vor Gericht, sondern auch durch zerstochene Reifen, Fäkalien in der Post und Drohanrufe. Wegen Blasphemie fiel er bei "Krone"-Herausgeber Hans Dichand in Ungnade.

Humor eines Teenagers

Über seine Bilder lachte Deix selbst am allermeisten. "In all diesen Jahren bin ich, was meinen Humor betrifft, auf dem Level eines 14-Jährigen geblieben", sagte er. Den Tod fürchtete Deix so sehr, dass er, der "Obertschicker", sogar das Rauchen aufgab und das Trinken reduzierte. Darauf war er zu Recht stolz.

Gezeichnet hat Deix auch für "Charlie Hebdo". Nach den Anschlägen appellierte er an seine Kolleginnen und Kollegen: sich nicht unterkriegen lassen, sondern mit noch mehr Schärfe weiterarbeiten. Für Österreich wünschte er sich mehr Pfeffer.

Am Samstag ist Manfred Deix im Alter von 67 Jahren nach langer, schwerer Krankheit gestorben. In Klosterneuburg-Weidling trauern um ihn seine Frau Marietta und 39 Katzen. (Doris Priesching, 27.6.2016)