"Die Wanderer" – palästinensische Schülerinnen singen Schubert und Sulzer.

Foto: Dietmar Walser

Hohenems/Wien – Ein jüdischer Kantor, der weltliche Lieder schrieb. Ein kanadischer Musikwissenschafter auf der Suche nach seltener Literatur. Ein Musikpädagoge, der in Ostjerusalem junge Menschen für klassische Musik zu begeistern versteht. Eine Sopranistin aus Israel, eine Altistin aus Österreich, eine Cellistin aus Finnland und fünf 16-jährige palästinensische Schülerinnen, die Schubert lieben. Und eine Konzertmanagerin, die Engagement und Mut zeigt. Sie alle machen das ungewöhnliche Konzertprojekt "Die Wanderer" aus. Mit Liedern von Franz Schubert, Salomon Sulzer und dessen Söhnen Joseph und Julius baut das bunte Ensemble Brücken – musikalisch, zeitlich und nicht zuletzt auch politisch.

Die kleine Konzertreihe begann in Hohenems, dem Geburtsort Salomon Sulzers (1804–1890). Schuberts Zeitgenosse wurde dort bereits mit 16 Jahren Kantor. 1826 begegneten einander Schubert, der gefeierte Star, und der junge Sulzer, der wegen seines herausragenden Baritons nach Wien berufen worden war. Die Musiker wurden Freunde.

Vergessene Komponisten

Sulzer, ein Frei- und Querdenker, reformierte den Synagogengesang, schrieb zahlreiche säkulare Werke, die in Vergessenheit gerieten. Zu Unrecht, wie Lorne Richstone, Musikwissenschafter aus Montreal, meint. Richstone, der nach einer langen Karriere an europäischen Opernhäusern und Universitäten an der University of Oklahoma Operngesang unterrichtet, ist ein leidenschaftlicher Sulzer-Forscher. Er grub nicht nur Werke des Kantors aus, sondern auch jene seiner Söhne Joseph und Julius Sulzer.

Zu Unrecht seien die Werke vergessen, sagte Richstone bei der Premiere im Salomon- Sulzer-Saal, der früheren Synagoge von Hohenems. Was die israelische Sopranistin Shira Karmon mit Liedern von Salomon und Julius Sulzer und die Cellistin Liina Leijala mit Werken von Joseph Sulzer unter Beweis stellten.

Verbindende Kunst

Petra Klose, die in Wien die Agentur für Künstler und Kulturprojekte betreibt und in Jerusalem als Musikmanagerin und Kuratorin tätig ist, wusste um Richstones Forschungsarbeiten und sein Engagement von Musikerinnen und Musikern für junge Talente in Ostjerusalem. Die Idee, Sulzer, Schubert, israelische und palästinensische Musikschaffende gemeinsam auf die Bühne zu bringen, entstand.

Mit den Gesangsschülerinnen Hiba Awad, Sama Shafea, Rita Tawil und Jamileh Zatreeh fand Petra Klose ideale Botschafterinnen. Die Mädchen, 16 Jahre alt und Schülerinnen an der Schmidtschule, einer deutschen Schule für christliche und muslimische Mädchen in Ostjerusalem, begeisterten das Hohenemser Publikum mit Wander-Liedern von Schubert, mit der "Türkischen Volkshymne" von Joseph Sulzer und mit arabischen Volksliedern.

Klassik für Junge

Die Mädchen sind seit fünf Jahren Schülerinnen des engagierten Berliner Musikpädagogen Karl Kronthaler, der ein Ausbildungskonzept entwickelte, das es talentierten Kindern ermöglicht, Grundtechniken des klassischen Gesangs zu erlernen. "Wir haben mit zehn, elf Jahren mit dem Singen begonnen", erzählt Rita Tawil.

Von ihren Eltern, die ihre Kinder wegen der internationalen Ausrichtung auf die Schmidtschule schickten, wurden sie von Anfang an unterstützt, sagt Hiba, die an ihrer Schule besonders den Fremdsprachunterricht schätzt. Das Singen in verschiedenen Sprachen fasziniert die Mädchen. "Das ist ganz einfach, wir lernen die Aussprache, unser Lehrer erklärt uns die Bedeutung."

Neben Kronthaler wurden die Mädchen bei der Konzertvorbereitung von der Altistin Veronika Dünser unterstützt. Dünser engagiert sich wie auch die finnische Cellistin Liina Leijala, die Direktorin an der Barenboim-Said-Stiftung in Ramallah ist, für palästinensische und israelische Talente.

Brücke zwischen Kulturen

Israelische und palästinensische Künstlerinnen und Künstler auf eine Bühne zu bringen war Petra Klose ein Anliegen. Bei Auslandsprojekten arbeitete das Ensemble quasi im geschützten Bereich, sagt Klose. In ihrer Heimat käme es immer wieder zu Kritik, "von beiden Seiten". Die palästinensischen Mädchen lassen sich nicht beirren. Ihnen geht es um die Musik. Drei der vier haben ein erklärtes Berufsziel. "Wir wollen Opernsängerinnen werden." Hiba schert aus, sie will "nicht nur singen". Ihr Berufsziel ist Pilotin.

"Die Wanderer" wird am 28. Juni in Wien im Theater Nestroyhof / Hamakom aufgeführt. Den Abschluss der kleinen Tour bildet ein Konzert im Österreichischen Hospiz in Jerusalem. (Jutta Berger, 27.6.2016)