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Griezmann war mit einem verschossenen Elfmeter im Champions-League-Finale ein tragischer Held. Jetzt ist er ein gefeierter Held. Weil Fußball einer "Achterbahnfahrt" gleicht.

Foto: REUTERS/Max Rossi

Lyon – Wie ein Held sah Antoine Griezmann nicht aus. Ein wenig verloren wirkte der kleine Stürmer, als er oben auf dem Podium saß und von seinen Taten berichten musste. Doch ob der schmächtige, schüchterne Star nun will oder nicht: Die Grande Nation erwartet weiter Großes von ihm. Der "Retter von Lyon", der die französischen Fußballer im Achtelfinale gegen Irland (2:1) mit seinem Doppelpack vor dem Aus bewahrte, ist der neue Hoffnungsträger der EM-Gastgeber.

Spätestens am Tag nach der Beinahe-Blamage dürfte Griezmann beim Blick in die Zeitungen auch selbst geahnt haben, dass er es auch im Viertelfinale am Sonntag in Saint-Denis (21 Uhr) wieder richten muss. "Grizou" wurde zum Feuerwehrmann. "Befreiung" titelte die L'Équipe nach dem Sieg gegen widerspenstige Iren und war sich sicher: "Der Anführer im Angriff ist gefunden." Und Quest France brachte die Erleichterung im Land auf den Punkt: "Danke Griezmann!"

Noch tiefer als die französischen Medien, die in ihren Kommentaren trotz allem nicht mit Kritik an der Mannschaft und Trainer Didier Deschamps sparten, verneigte sich die Presse in Griezmanns spanischer Wahlheimat. "Griezmann ist der wahre Sonnenkönig", schrieb die Marca. Die Konkurrenz von AS war der Ansicht, dass der Angreifer von Atlético Madrid "da war, als sein Land ihn brauchte".

Noch vor vier Wochen war Griezmann ein tragischer Held, weil er im verlorenen Champions-League-Finale gegen den Stadtrivalen Real in der regulären Spielzeit einen Elfmeter verschoss. Es war Griezmann selbst, der nun darauf zu sprechen kam. Das Spiel gegen Irland "war ein bisschen wie eine Achterbahnfahrt", sagte er, "es hat mich an meine Saison in Spanien erinnert".

In der Tat sah es zunächst danach aus, als müsse Staatspräsident François Hollande von der Tribüne aus das vorzeitige Ende aller Titelträume mitansehen. Robbie Brady per Foulelfmeter (2.) ließ die irischen "Boys in Green" mit dem zweitschnellsten Tor der EM-Geschichte auf eine Revanche für die "Hand of Frog", das Aus in der WM-Qualifikation 2010 durch das Handspiel von Thierry Henry, hoffen.

Weckrufe in der Kabine

In der Pause aber änderte sich alles. "Es war ganz schön laut in der Kabine. Wir haben uns angeschrien, weil wir wussten, dass wir besser spielen müssen", verriet Griezmann danach. Auch Deschamps gab zu, dass er seine "Stimme erheben" musste: "Es war Zeit, dass wir aufwachen." Das tat seine Mannschaft dann auch – nicht zuletzt aufgrund der Einwechslung des agilen Kingsley Coman vom FC Bayern.

Coman sorgte für die Lücken, den Rest erledigte Griezmann mit seinen EM-Toren Nummer zwei und drei innerhalb von 226 Sekunden (58., 61.). "Er hat einigen Schaden bei den Iren angerichtet", lobte Griezmann den Außenstürmer, dessen Viertelfinaleinsatz trotz einer Knöchelverletzung laut Deschamps nicht gefährdet ist. Spätestens nach der roten Karte gegen Shane Duffy wegen einer Notbremse an Griezmann (66.) war das Spiel zugunsten der wild angreifenden Favoriten entschieden.

Mit Blick auf das Viertelfinale baut Deschamps, der in der Runde der besten Acht auf die gesperrten Adil Rami und N'Golo Kante verzichten muss, auf jene ungezügelte Wucht der zweiten Halbzeit: "Die Mannschaft braucht Disziplin. Aber manchmal sind wir besser, wenn wir ein bisschen verrückt spielen." Die Franzosen wollen mit einer gesunden Mischung aus Optimismus und Respekt in die Runde der besten Acht gehen. "Man kann sich keine Ausrutscher mehr erlauben", sagt Deschamps, da muss man alles geben." (sid, red, 27.6.2016)