Die serbische Boulevardzeitung Informer sieht sogar "Das Ende der EU". Ähnlich wie in den EU-Staaten, fühlen sich prorussische, illiberale, antieuropäische und nationalistische Kräfte auch in Südosteuropa durch den Brexit im Aufwind. Experte Florian Bieber von der Universität Graz meint, dass die Westbalkanstaaten durch den Wegfall Großbritanniens einen ihrer wichtigsten Fürsprecher verlieren. Tatsächlich hat sich etwa die ehemalige EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton vor ein paar Jahren sehr verdienstvoll für die Annäherung zwischen dem Kosovo und Serbien eingesetzt. Insbesondere im Kosovo ist man nun bestürzt.

Dominante Dynamik verstärkt

Der Brexit verstärkt auf dem Balkan aber höchstens eine Dynamik, die in den vergangenen Jahren ohnehin dominierte. Die meisten EU-Staaten engagieren sich nicht für die Erweiterung oder sind sogar dagegen. Das beeinträchtigte die Transformationskraft der EU-Kommission, die Bedingungen, Überprüfungen und Fristen für weitere Integrationsschritte von EU-Aspiranten forderte. Natürlich wird der "Demokratieexport" aus einer EU, die mit inneren Glaubwürdigkeitsdefiziten zu tun hat, noch schwieriger.

Doch das Problem sind jene Akteure, denen der Brexit nun gerade recht kommt. Die jetzige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte nach dem Volksentscheid: Es sollte Schluss sein mit der Illusion einer Art Weltpolizei, "die Demokratie exportiert". Das war auch eine klare Absage an die bisherige Erweiterungspolitik.

Der Südosteuropa-Experte Tobias Flessenkemper denkt nicht, dass die Westbalkanstaaten nun ein großes Interesse entwickeln würden, der EU noch weitere Probleme zu machen. "Es kann sein, dass die eher in einen Sommerschlaf verfallen", meint er. Der große Glaubwürdigkeitseinbruch der EU – und Aufwind für Autoritäre – kam vor dem Brexit, durch den Deal mit der Türkei. "Ach so muss man das machen, man muss die EU erpressen", meinten Beobachter angesichts der Strategie der Türkei. "Die Meinungsfreiheit ist der EU offensichtlich egal." (Adelheid Wölfl, 27.6.2016)