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Der Autofahrerklub ÖAMTC knöpft sich VW-Fahrzeuge mit umgerüsteter Software vor und scheut weder technischen Aufwand noch Kosten. Die Tests sollen Grundlage für etwaige Schadenersatz- und Rückabwicklungsleistungen sein.

Foto: dpa / Julian Stratenschulte

Wien – Der Volkswagen-Konzern ist dabei, die Dieselaffäre aufzuarbeiten. 10,8 Millionen Fahrzeuge weltweit, so weiß man bislang, sind von der geschönten Software betroffen, europaweit sind es rund fünf Millionen, in Österreich müssen 388.000 Dieselfahrzeuge in einer Werkstätte umgerüstet werden. Im Oktober wurde hierzulande der Rückruf bekanntgegeben, angelaufen ist die Aktion im April. Für den Verein für Konsumentenschutz (VKI) ein Ärgernis, weil nicht nur viel zu schleppend, sondern den Kunden auch Ansprüche und Geld zustünden.

Der ÖAMTC hat nun in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Wien und anderen europäischen Mobilitätsklubs in anonymen Vorher-nachher-Tests Autos auf Herz und Nieren abgeklopft, wie sich diese Umrüstung auswirkt. Im Fokus der Überprüfung standen Leistung, Schadstoffausstoß und Verbrauch im realen Fahrbetrieb. Fazit: Die Software funktioniere, es habe keine maßgeblichen Veränderungen gegeben – grosso modo seien alle Werte innerhalb der Messtoleranz gelegen. Aus dem Update entstünden den Konsumenten also keine Nachteile. Von Schadenersatzklagen rät der ÖAMTC daher ab. Es bestünden auch keinerlei Ansprüche auf Gewährleistung oder Rückabwicklung.

Bedingte Entwarnung

Entwarnung also, bis auf eine Ausnahme, so Bernhard Wiesinger, Chef der ÖAMTC-Interessenvertretung, am Montag vor Journalisten. "Der Dieselverbrauch lag bei allen Fahrzeugen durchschnittlich elf Prozent über den Herstellerangaben. Das ist aber nichts Neues." Die Hersteller würden die erlaubten Testtoleranzen – etwa bei Temperatur und Reifendruck – ausreizen, um optimale Ergebnisse zu erzielen.

Der VKI bereitet unterdessen Sammelklagen gegen den VW-Konzern vor. Mehr als 60.000 betroffene Fahrer in Österreich haben sich bereits gemeldet. "Der Makel der Schummelei haftet der Marke an, das bleibt, selbst wenn alles technisch wieder hergerichtet sein sollte", sagt VKI-Juristin Ulrike Wolf zum STANDARD. Das würde sich beim Wiederverkauf auf dem Gebrauchtwagenmarkt zeigen. Dieser merkantile Minderwert sei zu ersetzen. Und: Wie viele Kunden hätten wohl den günstigeren Benziner anstelle des Dieselmodells gekauft, hätte man schon früher über die Manipulationssoftware Bescheid gewusst?

Test im mobilen Labor

Beim ÖAMTC herrscht unterdessen eitel Wonne: Getestet wurden vorerst drei Audi A4 und ein VW Golf der 2,0-Liter-Klasse (1,2- und 1,6-Liter-Motoren folgen). Die Kosten beliefen sich auf 30.000 Euro pro Fahrzeug. Besonderheit an der Untersuchung: "Das Abgaslabor kam mit einer mobilen Messeinheit ins Auto und nicht umgekehrt", heißt es vom ÖAMTC. Gemessen wurde im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), im sogenannten Worldwide harmonized Light vehicles Test Circle (WLTC) und der vom deutschen Partnerklub ADAC entwickelten Bundesbahn 130 (BAB 130). Teststrecken waren sowohl Stadtverkehr – konkret die Wiener Ringstraße – als auch Überlandstrecken bei Tempo 80, 100 und 130. Ab 2017 sollen in der gesamten EU realitätsnähere Messverfahren eingesetzt werden. Laut Entscheid der EU-Kommission wird der NEFZ durch den WLTC abgelöst, der den tatsächlichen Gegebenheiten auf der Straße besser entspricht.

In den USA ist Volkswagen bereit, etwa zehn Milliarden Dollar (8,8 Milliarden Euro) Entschädigung zu zahlen – das wären bis zu 7.000 Dollar pro Kunde. Da sei die Rechtslage eben strenger als in Europa. Wiesinger: "Bei zusätzlich umgerechnet 6.300 Euro und fünf Millionen Betroffenen in Europa ist es fraglich, ob das der Konzern überleben würde."
(Sigrid Schamall, 28.6.2016)