Wien – Für die Nurejew Gala, mit der Manuel Legris seit sechs Jahren den jeweiligen Saisonabschluss seines Wiener Staatsballetts im Haus am Ring zelebriert, wurde der große Tänzer diesmal, am Sonntag, ein wenig aus dem Rampenlicht genommen.

Immerhin gab es einen Ausschnitt aus Rudolf Nurejews Manfred (brillant als Solist: Matthias Heymann). Legris hätte allerdings auch den Tancredi zeigen können, der als erste Originalchoreografie des Stars gilt. Die Uraufführung ging vor 50 Jahren, am 18. Mai 1966, in der Wiener Staatsoper über die Bühne.

Auf dem Titel des Programmbuchs für die Gala 2016 ist Nurejew in Le Corsaire zu sehen. Legris wollte offenbar seine Version dieses Balletts, die er vergangenen März uraufgeführt hat, noch einmal promoten. Daher brachte er daraus am Beginn des Programms das Trio odalisques und zum Abschluss den ganzen ersten Akt. Ein Überangebot. Aber immerhin kamen auch Teile von Arbeiten jüngerer Choreografen zum Zug: Philippe Kratz' SENtieri, Distant Cries von Edwaard Liang und Daniel Proiettos Cygne.

Alle vor den Vorhang

In dem vierstündigen Ereignis sollen möglichst alle Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie vor das Publikum kommen, damit dieses die Qualitäten der Truppe einmal im Jahr überblicken kann. Unter vielem anderen war zu beobachten, wie Kiyoka Hashimoto und Ioanna Avraam in ihren Corsaire-Rollen glänzten. Oder wie die im Anschluss an das Programm zur Solotänzerin gekürte Nikisha Fogo mit Davide Dato in der Tarantella von George Balanchine durch herausragende Präsenz überzeugte.

Technisch exzellent, aber etwas steif tanzte Maria Yakovleva im Frühling von Jerome Robbins' The Four Seasons. Beim Sommer ließ Alice Firenze die Sonne aufgehen, und sie hatte auch bei SENTieri einen faszinierenden Auftritt. Den Herbst machten Dato als schlingelhafter Faun und der virtuose Publikumsliebling Denys Cherevychko zur besten Jahreszeit.

Mit 50 plus

Legris selbst zeigte zusammen mit der Étoile-Tänzerin Isabelle Guérin (Paris) in einem Duett aus Angelin Preljocajs Le Parc, dass Ballett mit 50 plus durchaus noch geht, und die Gastsolistin Myriam Ould-Braham strahlte frühlingsfrisch als Lise, die Fille mal gardée von Frederick Ashton. In Daniel Proiettos düster verlockendem Cygne, dem künstlerisch spannendsten Beitrag der Gala, tanzte Staatsopern-Ballerina Ketevan Papava ein ambivalentes, abgründiges Solo. Die einzige Enttäuschung des Abends war ein biederes Duett von John Neumeier. Am Ende gab's jedenfalls großen Applaus in der vollen Staatsoper. (Helmut Ploebst, 27.6.2016)