Die Brexit-Befürworter haben im Wahlkampf den britischen EU-Beitrag ordentlich strapaziert. Umgerechnet 445 Millionen Euro würden nach Brüssel überwiesen – jede Woche. Das Geld sei besser im Gesundheitssystem auf der Insel aufgehoben, so die Devise. Kurz nach dem Sieg bei der Abstimmung hat sich Rechtspopulist Nigel Farage auch schon von dem Versprechen distanziert. Die Summen waren aber ohnehin übertrieben.

Großbritannien zählt zwar tatsächlich zu den größten Nettozahlern der EU, mit rund fünf Milliarden Euro im Jahr ist die Belastung aber weit geringer als von den Brexit-Befürwortern dargestellt. Pro Woche kommt man somit auf weniger als 100 Millionen Euro. Nichtsdestotrotz wird vor allem in den Nettozahler-Ländern schon kalkuliert, wie sich der Austritt der Briten auf ihre Zahlungen nach Brüssel auswirken würde. In absoluten Größen ist Deutschland vor Frankreich Zahlmeister der EU. In Prozent des Bruttoinlandsprodukts schieben sich die Niederlande vor Deutschland, gefolgt von Schweden, Finnland und Österreich. Großbritannien liegt weit dahinter.

Unsichere Verhandlungen

Fällt der britische Beitrag aus, müssten die anderen Nettozahler wohl dafür einspringen – zumindest theoretisch: Denn wenn London weiter am Binnenmarkt teilnehmen will, wird es – ähnlich wie Norwegen – dafür auch zahlen müssen. All das hängt von den Verhandlungen ab.

Der österreichische EU-Bruttobeitrag lag zuletzt bei drei Milliarden. Laut Bertelsmann-Stiftung würde sich wegen des Brexit ein zusätzlicher Bruttobeitrag von 277 Millionen Euro für Österreich ergeben. Der größte Obolus entfiele auf Deutschland mit 2,5 Milliarden Euro.

Wichtige Rückflüsse

Ein Blick in die Abrechnung des EU-Haushalts 2014 zeigt folgendes Bild. Wenn man den EU-Beitrag ohne die Rückflüsse aus den Brüsseler Töpfen betrachtet, wäre der britische Bruttobeitrag von gut elf Milliarden Euro von den anderen Mitgliedern zu schultern. Diese Rechnung ist bereits um den legendären Britenrabatt reduziert, den Ex-Regierungschefin Margaret Thatcher ihren Amtskollegen 1984 abgetrotzt hat. Dieser Abschlag reduziert den eigentlichen Beitrag um rund sechs Milliarden Euro. Für Österreich verteuert er die jährliche Rechnung um 40 Millionen Euro. 2014 flossen somit 2,7 Milliarden Euro von Wien nach Brüssel.

Netto versus brutto

In Abzug davon gebracht werden die Rückflüsse der EU, beispielsweise für Agrarhilfen oder für Regionalförderungen. Daraus ergibt sich dann der Nettobeitrag. In einer neuen Untersuchung von Oxford Economics heißt es, dass diese Ausgaben im Wesentlichen von Großbritannien übernommen werden müssten. Daher könne man nur den Nettobeitrag als theoretisches Sparpotenzial heranziehen. Doch selbst dann müsste London, ähnlich wie Norwegen oder die Schweiz, wohl Mittel für den Zugang zum Binnenmarkt bereitstellen.(as, 28.6.2016)