Podolskis Revier ist der Strafraum, aber als Mann des Volkes fühlt er sich auch außerhalb desselben wohl.

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Einst war er "Prinz Poldi", nach 129 Länderspielen nimmt man Lukas Podolski den Prinzen aber nicht mehr ab. Zum König der deutschen Fußballnation hat er es nie geschafft, aber zu einem Fixpunkt. Schon bei der EM 2004 kam der damals 19-Jährige zu einem Einsatz, seitdem gehörte er zur DFB-Auswahl wie sonst nur Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm, bis dieser seine Teamkarriere beendete.

Podolskis Einwechslung im Achtelfinale gegen die Slowakei am Sonntag trug einen Hauch Adieu mit sich. Als der 31-Jährige in der 72. Minute Julian Draxler ersetzte, das Spiel war mit 3:0 längst gelaufen, bekam er von den Rängen Anerkennung für zwölf verdienstvolle Jahre. "Ich hatte schon am Spielfeldrand Gänsehaut", gestand der Routinier. Applaus bei jedem Ballkontakt, nach dem Spiel Umarmungen mit Fans, unzählige Selfies. Ein gefühltes Abschiedsspiel.

Podolski war gerührt: "Es zeigt, dass ich wohl vieles richtig gemacht habe – auf und neben dem Platz." Dabei ist er normalerweise nicht für die großen Emotionen zuständig. Der im polnischen Gliwice geborene Deutsche steht für Schenkelklopfer, nicht für Herzklopfen. "Ich denke nicht vorm Tor – das mach ich nie", sagte er einst.

Der Sohn eines Sportlerpaars, Vater Fußballer, Mutter Handballerin, wuchs in Bergheim nahe Köln auf, beim 1. FC holte ihn der damalige Trainer Marcel Koller 2003 in die Kampfmannschaft. Seiner Heimat blieb der seit 2008 verheiratete "Poldi" auch in seinem Wesen stets treu. Er ist mehr Karneval als Philosoph.

Auch deshalb wird ihm oft der Spruch "Fußball ist wie Schach – nur ohne Würfel" zugeschrieben. Eigentlich stammt er von dem Comedian Jan Böhmermann, der Podolski 2006 für den Radiosender "1Live" imitierte. Als Böhmermann im vergangenen April wegen seines Erdogan-Gedichts juristische Probleme bekam, twitterte der in Istanbul aktive Stürmer auf Deutsch und Türkisch: "Lieber Jan, wer immer nur auf Kosten anderer austeilt, der kriegt irgendwann den Boomerang zurück. #poldisatire #nichtvergessen #gürtellinie"

"Wenn man Spaß an einer Sache hat, nimmt man sie auch ernst." Mit diesem Satz präsentiert sich Podolski auf der DFB-Website. Seine 48 Nationalteam-Tore sind der viertbeste Wert hinter Miroslav Klose (71), Gerd Müller (68) und Joachim Streich (59). Trotzdem wurde Podolskis EM-Einberufung kritisiert, der Routinier als "Maskottchen" bezeichnet. Da war der Spaß vorbei. "Ich empfinde das als respektlos", sagte er bei einer Pressekonferenz.

Auch das ist Lukas Podolski. Ehrlich, kompromisslos, konfrontationswillig – und immer authentisch. (masc, 27.6. 2016)