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Zäune halten nicht nur Menschen, sondern auch Tiere voneinander ab.

Foto: REUTERS/Jon Nazca

Madrid/Oslo/Ljubljana – 30.000 Kilometer Zäune wurden allein seit dem Jahr 2000 entlang der Grenzen in Europa und Asien errichtet, jüngst wegen der Flüchtlingskrise auch in Mitteleuropa. Wissenschafter schlagen nun laut der spanischen Zeitung "El Pais" Alarm: Die Stacheldrahtverhaue seien nicht nur oft tödliche Fallen für Tiere, sie gefährden auch die gesunde Weiterentwicklung und Fortpflanzung gefährdeter Spezies.

"El Pais" berief sich am Dienstag (Internetausgabe) bei einem entsprechenden Bericht auf eine Gruppe von internationalen Experten, die in einer Studie die Auswirkungen der Grenzanlagen auf die Biodiversität erkundet haben. Sie zitierte unter anderen den Biologen John Linell vom "Norwegischen Institut für Naturforschungen" (Nina): "Der unmittelbarste Effekt ist, dass die Tiere in den Stacheldrahtzäunen hängen bleiben und sterben."

Aber es sind nicht nur Fotos von qualvoll verendeten Schafen, Rehen oder anderen Wildtieren, die dem Forscher Sorgen machen. Längerfristig könnten die Zäune die Existenz ganzer Arten gefährden. Durch die Zäune ist ihre Mobilität nämlich drastisch eingeschränkt. So kommen sie nicht mit einer größeren Anzahl von Artgenossen zusammen. "Das reduziert ihre genetische Lebensfähigkeit." Soll heißen, auf Dauer seien gewisse Spezies von Inzucht bedroht.

Artenvielfalt gefährdet

Als Beispiel nannte Linell gegenüber "El Pais" den im vergangenen Herbst aus "Nato-Draht" errichteten Zaun zwischen Slowenien und Kroatien. Die Grenze zwischen den beiden exjugoslawischen Staaten ist 670 Kilometer lang, fast 350 davon verlaufen laut dem Forscher durch eine Region "mit der größten Artenvielfalt Europas". In den vergangenen Jahrzehnten wurden dort in grenzüberschreitenden Projekten gefährdete beziehungsweise dort bereits ausgestorbene Tierarten wie Luchse, Wölfe oder Braunbären wieder angesiedelt. Dass es mittlerweile etwa auch in den Pyrenäen wieder Bären gebe, sei auch auf diese Projekte in Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina zurückzuführen, so Linell gegenüber "El Pais".

Da die Territorien zur Aussetzung dieser Tiere genau geregelt worden sei, würden die Grenzzäune unter diesem Aspekt sogar eine "Verletzung europäischen Rechts" darstellen, ist der Experte überzeugt. Abgesehen davon, dass diese Tiere auch Herausforderungen wie dem Klimawandel ausgesetzt seien, die keine Grenzen kennen würden: "Es ist eine Ironie, dass es gerade jetzt, wo wir vor einer Reihe von Problemen stehen, die einer globalen Lösung bedürfen, immer mehr die Tendenz zu einem Rückzug auf eine nationalistische Politik gibt." (APA, 28.6.2016)