Arbeit, Bildung und Barrierefreiheit sind für die Behindertenanwaltschaft die größten "Baustellen", die momentan zu beheben sind.

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Wien – Laut dem Behindertenanwalt im Sozialministerium, Erwin Buchinger, war das vergangene Jahr nicht besonders erfreulich. Die Entwicklung der letzten Jahre sei stetig schlecht und bleibe das auch. Erkennbar sei dies an der Zahl der Beschwerden, die im Laufe des letzten Jahres um sieben Prozent von 1.324 auf 1.411 Fälle gestiegen ist. Auch die Zahl der Schlichtungsverfahren ist gestiegen – von 31 auf 41 –, was laut Buchinger aber nicht unbedingt etwas Schlechtes ist, sondern eher als ein Zeichen für mehr Bewusstsein für Menschen mit Behinderung zu werten sei.

Unerfreulich sei aber der Grund für diese Schlichtungsverfahren. Viele Einrichtungen würden noch immer nicht ausreichende Barrierefreiheit aufweisen. Während unzählige Schlichtungsverfahren am Laufen sind, gebe es nur eine sehr überschaubare Anzahl an Gerichtsverfahren. "Die Hürden für Menschen mit Behinderung, zu ihrem Recht zu kommen, sind weiterhin hoch", sagte Buchinger.

Die Anwaltschaft erkennt vier wesentliche Punkte, bei denen es großes Verbesserungspotenzial gibt. Buchinger nennt die Bereiche Arbeit, Bildung und Barrierefreiheit als die größten "Baustellen", die momentan zu beheben seien. Während die Arbeitslosenquote nichtbehinderter Menschen bei 9,9 Prozent liegt, liegt jene von Menschen mit Behinderung bei 15,7 Prozent. Buchinger weist darauf hin, dass 2007 nur jeder siebte Arbeitslose einer mit Behinderung war, sich dieser Schnitt jedoch 2015 auf jeden fünften verschlechterte. Einen möglichen Grund dafür verortet Buchinger darin, dass das AMS behinderte Menschen nicht als eigene Zielgruppe mit Förderbedarf ansieht – wie etwa Frauen, Jugendliche oder Menschen mit Migrationshintergrund.

Keine Quotenerfüllung in der Wissenschaft

Große Kritik übt Buchinger an den Universitäten und Fachhochschulen in Österreich. Keine einzige Hochschule erfülle die gesetzlich vorgeschriebene Beschäftigungsquote von begünstigt behinderten Menschen. Pro 25 Arbeitnehmer sollte eine Person mit Behinderung eingestellt werden. Wird diese Quote nicht erfüllt, sind Ausgleichszahlungen zu leisten. Im Bereich der Unis und Fachhochschulen gehe es um mindestens 1.000 Arbeitsplätze, sagt Buchinger, für die die Hochschulen jährlich mehrere Millionen Euro zahlen.

Weitere Kritikpunkte gibt es an den Pflichtschulen, bei denen Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf nicht die Möglichkeit haben, das zehnte, elfte und zwölfte Schuljahr zu absolvieren. Stattdessen werden sie meist an eine Sonderschule verwiesen. (Matthias Ebenberger, 28.6.2016)