Nahezu täglich kommen in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, Tote aus Katar an. Als Gastarbeiter für die Fußball-WM 2022 schuften tausende Nepalesen wie Sklaven.

W-film, Benjamin Best Productions

Wien – In Kathmandu ist wieder ein Sarg angekommen. Wie Frachtgut wird die Holzkiste am Flughafen verladen. Noch auf der Straße wird sie geöffnet. Rundum stehen dutzende Menschen. Sie weinen, protestieren, eine Frau bricht beim Anblick des Toten mit einem Schmerzensschrei zusammen. Der Sarg ist weit gereist, er kommt aus Katar.

In der arabischen Wüstenmonarchie soll 2022 die übernächste Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden. Erstmals im Winter, denn im Sommer ist es dort für Spitzensport zu heiß. Der architektonische Masterplan für das Megaevent stammt von Albert Speer junior. Für Baufirmen aus aller Welt ist es ein gutes Geschäft.

400.000 Gastarbeiter aus Nepal sollen das Spektakel möglich machen. Man lockt sie mit Angeboten, die sich vor Ort als Lügen herausstellen. Seit Jahren schuften die Männer unter sklavenähnlichen Bedingungen. 4.000 von ihnen, so schätzt man, werden bis zum Start der WM in Särgen in ihr Land zurückgekehrt sein.

W-film Distribution

Es ist dies nur der beschämende Gipfel jener Dinge, die Benjamin Best in seinem Dokumentarfilm "Dirty Games – Das Geschäft mit dem Sport" vor Augen führt. Der deutsche Investigativjournalist und Filmemacher hat sich mit Recherchen rund um die korrupten Machenschaften im Spitzensport einen Namen gemacht. In "Dirty Games" muss er selbst nicht viel sagen, lässt stattdessen Opfer und reuige Täter zu Wort kommen.

Das Ziel des Films ist dabei weniger die Enthüllung – denn viele der gezeigten Beispiele aus Fußball, Boxen und Basketball sind seit langem bekannt. Benjamin Best zeichnet vielmehr ein kursorisches Sittenbild, das nicht zu sehr ins Detail gehen muss, um die dunkle Seite des Sports auch denen begreiflich zu machen, die Skandale rund um Fifa und Co bisher mit einem gleichgültigen Schulterzucken quittierten.

Eine Frage der Bestechung

Die Liste der Unglaublichkeiten ist lang: Favela-Bewohner und kritische Stadtplaner aus Rio de Janeiro erzählen von willkürlichen Enteignungen, Einschüchterung und Polizeibrutalität bei der Fußball-WM. Bonita Mersiades, ehemals in Diensten des australischen Fußballverbands, kämpft seit Jahren für eine Neugründung der Fifa. Sie schildert den Bewerbungsprozess ihres Landes (man hatte gegen Katar das Nachsehen) als bloße Frage des größeren Bestechungsbudgets.

Charles Farrell, heute Jazzpianist, gibt Einblick in sein früheres Leben als Boxveranstalter. Hunderte Kämpfe habe er manipuliert, sagt er. "Einen Deal geht man immer mit dem Verlierer ein. Der Gewinner weiß fast nie davon." Mit einem professionellen Verlierer sei laut Farrell mehr Geld zu machen als mit einem Champion.

Die Stars würden stets geschützt, sagt ein Ex-Schiedsrichter der US-Basketballliga NBA. Sie garantieren das Geschäft. Das Thema Doping wird in dem Film gar ausgespart, das Gezeigte ist schockierend genug. Dass der Betrug aber auch hier systemischen Charakter besitzt, ist spätestens seit dem Fall Lance Armstrong (im Vorjahr mit "The Program" verfilmt) kein Geheimnis mehr.

Raum für Verteidigungsreden gibt Benjamin Best in seinem Film nicht, wo Menschen zu Tode kommen, ist alles gesagt. Stattdessen kontrastiert er die Aussagen der Protagonisten mit Schauplätzen, wo der Sport noch in Ordnung ist: im Käfig, am Strand, oder beim Heimspiel des FC United of Manchester – ein Unterligaverein, gegründet von ehemaligen Manu-Fans aus Protest gegen die Kommerzialisierung ihres Klubs.

Sind saubere Massenevents möglich? Der Film nährt den Zweifel. Und lässt den geneigten EM-Zuseher mit einem schalen Beigeschmack zurück. Mit "Dirty Games" hat Benjamin Best seine bisher poetischste und zugleich traurigste Arbeit geschaffen. Mit viel Gefühl für das richtige Bild zur richtigen Erzählung erteilt er dem Diktat des "schneller, höher, weiter" eine längst überfällige Absage. (Stefan Weiss, 28.6.2016)