Paris – Beim allerwichtigsten Radrennen werden zur Aufdeckung versteckter Hilfsmotoren erstmals hochentwickelte Wärmebildkameras eingesetzt, Betrüger sollen auf frischer Tat ertappt werden. "Es ist von großer Bedeutung, dass wir Täuschungen entdecken", sagte Brian Cookson, Präsident des Weltverbandes UCI, in Paris.

Der französische Staat hatte die Einführung der Methodik forciert, entwickelt wurden die Kameras vom Kommissariat für Atomenergie und alternative Energien CEA.

Ein Probelauf bei den französischen Meisterschaften in Vesoul verlief erfolgversprechend. "Die Tests waren überzeugend. Selbst ein gestoppter Motor wäre erkannt worden", sagte der französische Verbandschef David Lappartient. Dass Lappartient im Konjunktiv formulierte, überrascht kaum, denn gefunden wurde nichts.

Die neue Maßnahme darf in erster Linie als Abschreckung verstanden werden. Die Wärmebildkameras können während der Rennen von Begleitfahrzeugen aus genutzt werden, sogar die Montage am TV-Helikopter gilt als Option. Zusätzlich kontrolliert die UCI bei der Tour mit einer Methode, die der Verband stets als "äußerst effizient" bezeichnete und bereits seit längerem einsetzt: Mit Magnetresonanz-Untersuchungen per Tablet soll vor und nach den Rennen nach versteckten Hilfsmitteln gesucht werden.

Leicht nachweisbar

Elektrodoping statt Epo, ein unbemerkter Vorteil ohne die Gefährdung der eigenen Gesundheit, der perfekte Betrug scheint angesichts der umfangreichen Vorkehrungen kaum unbemerkt durchführbar. "Motordoping ist relativ leicht zu entdecken, das stimmt mich positiv. Die Gefahr, erwischt zu werden, ist so groß, dass es schlecht im Profiradsport angewendet werden kann", sagte der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin aus Deutschland.

Ähnlich sieht es Top-Sprinter Marcel Kittel, Martins Teamkollege bei Etixx-Quick Step. Der 28-Jährige stellte eine einfache Rechnung auf: "Es muss das Fahrrad vom Sponsor kommen, es müssen ein Mechaniker und dann der Sportler involviert sein. Das sind drei Komponenten. Da muss wenigstens einer mit genug Grips dabei sein, um zu sagen: Das ist scheiße, das machen wir nicht." Klassiker-Spezialist John Degenkolb hofft, "dass die Testverfahren lupenrein sind und alles gesehen wird". Einen Unterschied zu medizinischem Doping sieht er nicht: "Beides überschreitet die Grenze weit, beides ist Betrug."

Ein Fall

Nachweislich überschritten hat die Grenze bisher nur die 19-jährige Belgierin Femke Van den Driessche. Bei den Radcross-Weltmeisterschaften im belgischen Zolder im Jänner war im Rahmen ihres Sportgeräts ein verbotener Hilfsmotor gefunden worden. Im Bemühen um Glaubwürdigkeit kann sich der Radsport keine neuen Fälle leisten, schon gar nicht bei der Tour de France. Gänzlich ausschließen lässt sich der mechanische Betrug jedoch nicht. Jean-Pierre Verdy, bis 2015 Direktor des Kontrollbereichs der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD, deutete Motordoping bei der Frankreich-Rundfahrt 2015 an. Betrogen hätte "eine Minderheit, aber es waren wohl mehr als ein Dutzend Fahrer. Viel mehr als noch 2014 und die Jahre zuvor", sagte Verdy dem Magazin Tour.

Der lebenslang gesperrte italienische Dopingarzt Michele Ferrari, einer der Baumeister der Armstrong-Ära, will von Motordoping bereits seit 2005 gewusst haben. (sid, red, 29.6.2016)