Im November 2009 gaben 20 Prozent der befragten Österreicher an, "man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss". Im Oktober 2015 wollten hingegen 39 Prozent einen autoritären Führer (Daten: Sora-Institut).

Die 2015er-Daten korrelieren mit einem verfestigten All-time High für die FPÖ (zwischen 30 und 34 Prozent, nach unveröffentlichten Umfragen zeitweise bis 39 Prozent). Überall in Europa erzielten rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien ähnliche Erfolge. Das Narrativ der Rechtspopulisten setzte sich breitflächig durch, bis hin zum Brexit-Referendum in Großbritannien.

Gibt es eine Gegenstrategie der liberalen Demokraten? Ja, sie besteht darin, dass die Mitteparteien selbst rechtspopulistischer werden.

So wird das nichts. Namhafte Experten wie der deutsche Historiker Paul Nolte meinen: "Wir Liberalen müssen wieder stärker den Mut haben, zu unserem System zu stehen, den Populisten klar zu widersprechen und ihr Weltbild nicht einfach hinzunehmen."

Der neue Kanzler und SPÖ-Vorsitzende Christian Kern hat damit begonnen, indem er der FPÖ jede Leistung absprach. Das muss aber systematischer werden. Die britische Abstimmung hat gezeigt, dass skrupellose Scharlatane mit unablässig wiederholten falschen Behauptungen Erfolg haben. Die Mitteparteien müssen dem sofort hart, faktenreich und mit der nötigen Stringenz begegnen.

Überdies sollten xenophobe Minderheiten geschwächt werden, indem man Protestwähler vom Führungskern der betreffenden Partei argumentativ trennt. Die Tatsache, dass der innere Kreis der FPÖ von Mitgliedern von z. T. schwer rechtsextremen Burschenschaften durchsetzt ist, wurde bisher viel zu wenig betont. Frustrierte Arbeiter mögen glauben, eine "soziale Heimatpartei" zu wählen, aber was haben die gemein mit Akademikern in seltsamen Gewandungen, mit seltsamen Ritualen und mit elitärem Dünkel?

Andere Maßnahmen wären der Abbau von Stereotypen durch gezielten Kontakt mit dem "Anderen" sowie die Erzeugung von positiven Emotionen und Bewertungen.

Allerdings wird eine kommunikationstechnische Professionalisierung, so wichtig sie ist, allein nicht reichen. Xenophobie und Ablehnung der etablierten Eliten entstehen auch durch reale oder auch gefühlte ökonomische Nachteile. Besonders FPÖ-Wähler (davon früher viele SP-Wähler) haben starke Abstiegsängste. Laut Sora geben 57 Prozent der FPÖ-Wähler an, ihr Einkommen reiche nicht aus (29 Prozent der SPÖ-Wähler).

Das mit einer Wirtschafts-und Sozialpolitik zu bekämpfen, die die untere Hälfte der Einkommensbezieher begünstigt, ist keine leichte Sache – es sind ja vor allem die niedrig qualifizierten Personen, die einkommensmäßig unter die Räder kommen. Die Verbesserung der Einkommenssituation vor allem der unteren Hälfte wäre aber klar als Ziel zu kommunizieren, denn eines der Probleme der Regierung ist, dass sie keine klaren Ziele setzt. Bisher sind die Mitteparteien sprachlos, die rechte Opposition aber sehr laut. (Hans Rauscher, 28.6.2016)