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FN-Chefin Marien Le Pen verlangt nach dem Brexit-Votum die Abhaltung einer EU-Volksabstimmung in Frankreich.

Foto: REUTERS/Jacky Naegelen

"Und jetzt Frankreich", heißt es auf dem neuen Front-National-Plakat, auf dem geballte Fäuste schwere Ketten sprengen. Marine Le Pen fühlt sich schon befreit: Im Hof des Élysée-Palastes, wo Präsident François Hollande die französischen Parteichefs zu Post-Brexit-Konsultationen empfing, machte sie als Einzige kein langes Gesicht, sondern verlangte lächelnd die Abhaltung einer EU-Volksabstimmung in Frankreich. Le Pen weiß, der Moment ist günstig, die Stimmung im Land ebenfalls. Schon Anfang des Monats ergab eine gesamteuropäische Umfrage, dass 61 Prozent der Franzosen eine schlechte Meinung von der EU haben; nur in Griechenland liegt der Negativwert noch höher.

Zugleich ist die Verbundenheit mit dem weitgehend französisch inspirierten EU-Projekt in Paris aber viel enger als jenseits des Ärmelkanals. Der Euro geht auf den ehemaligen Präsidenten François Mitterrand zurück, und die EU-Agrarpolitik ist für die französischen Landwirte unverzichtbar. Viele Franzosen tragen deshalb zwei europäische Seelen in ihrer Brust. Ihr Schwanken kommt in einer neuen Umfrage zum Ausdruck, die "Le Figaro" am Mittwoch publiziert hat. Demnach sind 45 Prozent der Franzosen gegen den "Frexit", 33 Prozent dafür. Ein hoher Anteil von 22 Prozent äußert keine Meinung.

"Befriedeter" Diskurs

Diese Erkenntnisse erklären die Haltung von Marine Le Pen. Die 48-jährige Anwältin, die laut Umfragen bei der Präsidentschaftswahl 2017 mit rund 30 Prozent der Stimmen rechnen darf, gibt sich gerne als flammende EU-Gegnerin. In Wahrheit verhält sie sich opportunistischer, als es den Anschein macht. Zehn Monate vor der Wahl versucht sie, mit einem nach eigenen Worten "befriedeten" Diskurs auch konservative Wähler anzusprechen. Und das gerade auch in der zentralen EU-Debatte. Die Front-National-Chefin verspricht, im Fall ihrer Wahl in den Élysée-Palast "binnen sechs Monaten ein EU-Referendum abzuhalten". Doch die Konturen einer solchen Abstimmung bleiben unklar. Le Pens Überlegung ist, dass die Franzosen eher auf den Austritt verzichten, wenn sie abgetretene Kompetenzen zurückgewinnen.

Auch soll Frankreich den Euro aufgeben und zum Franc zurückkehren. Mit einer gewichtigen Einschränkung allerdings: Für den Binnenverkehr der EU würde der Euro durch einen "Ecu" ersetzt. Es gäbe damit also eine Art Doppelwährung – was kompliziert klingt und innerhalb der Rechtsaußenpartei nicht restlos geklärt ist. Marion Maréchal Le Pen, die einflussreiche Nichte der Parteichefin, äußert sich immer skeptischer zur Idee eines französischen Euro-Austritts. Gut möglich, dass ihre Tante nach der Wahl ins Élysée bedeutend pragmatischer an die Währungsfrage ginge. Bis dahin spielt der Front National aber noch mit ziemlich verdeckten, wenn nicht gezinkten Karten. (Stefan Brändle aus Paris, 29.6.2016)