Obwohl die Messe erst vor wenigen Minuten eröffnet wurde, ist die Schlange kurz vor zehn Uhr vormittags bereits lang. Gut fünfzig Personen warten vor der Halle E des Wiener Museumsquartiers, viele von ihnen halten Mappen unter ihren Armen, man hört verschiedenste Sprachen. Sie alle warten auf den Einlass zur ersten Jobmesse für Geflüchtete, der "Chancenreich". Die Initiatoren Stephanie Cox und Leo Widrich haben die Messe innerhalb von vier Monaten auf die Beine gestellt. Ihr Anliegen: Integration muss über den Arbeitsmarkt gehen.
Nicht nur die Besucher stehen Schlange, auch bei Unternehmen stieß die Idee auf großes Interesse: T-Mobile, die Erste Bank, Rewe und Ströck sind nur ein paar Beispiele für die Unternehmen, die hier auf die Messebesucher warten. Insgesamt sind es 50 Firmen und 20 Beratungsinstitutionen, darunter auch das AMS. "Wir haben 3.000 Menschen, die bei uns gemeldet sind, zur Messe eingeladen", sagt AMS-Wien-Chefin Petra Draxl. Zielgruppe seien anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, in Wien waren das Ende Mai 16.243 Personen. Was sie sich von dem Tag erwartet? "Die Menschen sollen sehen, dass es Interesse gibt. Ich hoffe, sie können viele Infos mitnehmen, und vielleicht kommt es ja auch zu einigen konkreten Bewerbungen."
Infos will auch Hasan Alkasseir. Seit acht Monaten ist er in Österreich, geflüchtet ist er aus Afghanistan. Neben ihm steht Franz Steiner, sein Buddy. Die beiden haben einander in der Flüchtlingsbetreuung in Schwechat kennengelernt. Steiner hilft Alkasseir, wo er kann. "Über meinen Asylstatus wurde noch nicht entschieden, ich darf also nicht arbeiten", sagt Alkasseir. Zur Messe wollten die beiden trotzdem kommen, sich über Chancen informieren.
Dass viele, die arbeiten wollen, es wegen fehlenden Asylbescheids nicht können, kritisieren auch Firmenvertreter an diesem Tag öfter. Viele fordern einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt. Zum Arbeitsrecht und den Eigenheiten des heimischen Arbeitsmarkts werden für die Messebesucher Workshops abgehalten, außerdem gibt es einen Fotocorner für Bewerbungsfotos. "Der pragmatische Zugang war uns sehr wichtig", sagt Cox.
Auch Salwan Althuwaynee darf noch nicht arbeiten. Der Iraker ist seit Oktober 2015 in Österreich – auf der Messe ist er als Dolmetscher im Einsatz. "Ich habe auf Facebook gelesen, dass Freiwillige gesucht werden, und habe mich gleich gemeldet." Althuwaynee freut sich, wenn er etwas tun kann. Auch bei der Diakonie ist er als Dolmetscher öfter im Einsatz. Irgendwann möchte er aber seinem im Irak erlernten Beruf als Elektroingenieur nachgehen. Um seinen fertigen Bachelor anerkennen zu lassen, braucht er allerdings B2-Niveau in Deutsch – "mir fehlt nur noch ein Kurs".
Die Sprache ist tatsächlich essenziell, das hört man bei den Gesprächen an den Messeständen und auf den Bühnen immer wieder. Auf so einer Platz genommen hat Alexandra Pattermann, bei T-Mobile in der Personalentwicklung und dort für Lehrlinge zuständig. "Wir verlangen nicht, dass die Jugendlichen perfektes Deutsch sprechen, aber ein gewisses Niveau wird natürlich vorausgesetzt." T-Mobile arbeitet seit 2010 mit dem Verein Lobby 16 zusammen, der jugendliche Geflüchtete an Unternehmen vermittelt – aktuell sind sieben Flüchtlinge in Ausbildung. "Auf der anderen Seite sind die Muttersprachen für uns natürlich ein Vorteil. Unsere mehrsprachigen Verkäufer haben sich teilweise eine Stammkundschaft aufgebaut", sagt Pattermann, und einer der freiwilligen Dolmetscher übersetzt sofort.
Die Gäste auf der Bühne müssen sehr laut sprechen, um im Gewusel der Messe überhaupt gehört zu werden. Auch um die Mittagszeit wird der Andrang nicht weniger, insgesamt kommen ungefähr 3500 Interessenten. Chaos herrscht aber keines. Die Organisatoren haben darauf geachtet, Besucher in Slots einzuteilen und schon im Vorhinein mit Firmen zusammenzubringen.
Jan Ali ist schon an einigen Ständen vorbeigeschlendert. Nun steht er unter einer riesigen Wäscheleine, an der lauter Jobangebote hängen. "In Afghanistan habe ich als Tischler gearbeitet", sagt Ali mit ständigem Blick nach oben. "Hier habe ich bisher nur ein Jobangebot für einen Maler und als Küchenhilfe gefunden." Bewerben will er sich vielleicht trotzdem.
Wie viele konkrete Jobs und Bewerbungsgespräche der Messetag tatsächlich gebracht hat, werden die nächsten Tage zeigen. Cox und Widrich berichten gegen Abend aber schon von ersten fixen Zusagen. Nun geht es auch darum, ob die Messe auch in anderen Städten stattfinden wird. Interesse gibt es aus Graz und Salzburg, sagt Cox. (Lara Hagen, 29.6.2016)