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Mesut Özil isst und trinkt auch untertags. "Geht nicht anders."

Foto: Reuters/FUENTES

Paris – Fasten oder Fitness – das ist für die zahlreichen Muslime bei der Fußball-Europameisterschaft im wahrsten Sinne des Wortes eine Glaubensfrage – und häufig auch ein innerer Konflikt, denn für die Einhaltung der strengen Regeln im Ramadan, der in diesem Jahr am 5. Juli endet, gibt es nur wenige Ausnahmen.

Die große Mehrheit der betroffenen EM-Profis, darunter auch das Quartett des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hat sich dafür entschieden, nicht nur zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang feste Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen. "Es geht nicht anders. Das Wetter ist im Sommer zu warm. Die Spiele und Trainingseinheiten sind sehr intensiv", hat etwa Deutschlands Mittelfeldstar Mesut Özil die Problematik beschrieben.

Mit einer sogenannten kleinen Pilgerfahrt (Umra) nach Mekka im Mai dokumentierte der Weltmeister seinen starken Glauben. Ein Foto davon im Internet wurde indes prompt zur politischen Auseinandersetzung missbraucht. Der Trip sei ein "antipatriotisches Signal" gewesen, pestete die AfD-Politikerin Andrea Kersten, der Deutsche Fußballbund (DFB) sah sich daraufhin genötigt, Özil vehement zu verteidigen.

Wohlfühlen

Wie Özil definieren sich auch Sami Khedira, Shkodran Mustafi und Emre Can als "Reisende", denen es der Koran gestattet, die Fastenzeit nachzuholen, wenn es die berufliche Situation erlaubt. Ebenso hat es beispielsweise auch Schwedens Torjäger Emir Kujovic gehandhabt.

Weit selbstverständlicher als in Deutschland geht man im EM-Gastgeberland Frankreich mit dieser ja beileibe nicht mehr neuen Situation um. Zwar werden sich Paul Pogba, N'Golo Kanté und Bacary Sagna so ernähren wie in den übrigen elf Monaten des Jahres, dafür steht für das Trio bei allen gemeinsamen Mahlzeiten mit den Mannschaftskollegen ein separates Halal-Büffet zur Verfügung. Für Trainer Didier Deschamps ist die Angelegenheit jedenfalls kaum einer Erwähnung wert: "Wichtig ist doch nur, dass die Spieler sich wohlfühlen."

Strengere Auslegung

Aber es gab bei der EM-Endrunde auch Spieler, die die Befolgung der religiösen Verpflichtungen über den unbedingten sportlichen Erfolg stellten. "Auch wenn die meisten Profis hier anders denken: Für mich ist der Ramadan wichtiger als die EM", sagte Mergim Mavraj. Der 30-Jährige, Verteidiger in der als Gruppendritter in der Vorrunde gescheiterten albanischen Nationalmannschaft und beim vom Wiener Peter Stöger trainierten 1. FC Köln, gestattete sich jedenfalls kein Brechen der Fastenregeln.

Was aus gesundheitlicher Sicht durchaus problematisch sein kann. Hans Braun, Ernährungswissenschafter an der Deutschen Sporthochschule in Köln, warnt gewissermaßen: "Derzeit bleiben nur sechs Stunden Zeit zur Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Das ist knapp und nicht in jedem Fall ausreichend."

Aber offensichtlich kann es genügen, wie sich schon bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien herausstellte. Die Nationalmannschaft Algeriens unterwarf sich damals komplett den Vorschriften des Korans. Und dennoch hatte der spätere Titelträger Deutschland im Achtelfinale erhebliche Mühe und schaltete den nordafrikanischen Außenseiter erst nach Verlängerung mit 2:1 aus. (sid, red, 30.6.2016)