Ergibt ein fragmentiertes Bild der Außenwelt: der Blick durch Jalousien.

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Sie ziehen sie am Morgen hoch, um Sonne und Licht hereinzulassen, sie lassen sie herunter, damit Sie sich frei und vor fremden Blicken geschützt in Ihren vier Wänden bewegen können. Sie linsen zwischen den schräg gestellten Plastiklamellen hindurch und erhaschen ein fragmentiertes Bild der Außenwelt. Wovon hier die Rede ist? Vom Sichtschutz bei Fenstern, den man gemeinhin Jalousien nennt.

Jakob Michael Reinhold Lenz, Sturm-und-Drang-Dramatiker und Zeitgenosse von Goethe, verwendet im bürgerlichen Trauerspiel "Die Soldaten" (verfasst 1776) das Verb "schalusieren" in der Bedeutung von "eifersüchtig, neidisch sein": Wesener ist Galanteriehändler in Lille. Er hat zwei Töchter, Marie und Charlotte. Marie wird vom Offizier Desportes umworben, der sie nach einem amourösen Abenteuer fallen lässt.

Charlotte: Das ist alles das Mariel schuld. (Weint.) Die gottsvergeßne Alleweltshure will honette Mädels in Blame bringen, weil sie so denkt.

Wesener (sehr laut): Halt's Maul! Marie hat ein viel zu edles Gemüt, als daß sie von dir reden sollte, aber du schalusierst auf deine eigene Schwester; weil du nicht so schön bist als sie, sollt'st du zum wenigsten besser denken. Schäm dich! (1. Akt, 5. Szene)

Das Verb schalusieren ist längst obsolet, aber das Substantiv Jalousie wird im 18. Jahrhundert aus französisch jalousie "Eifersucht, Neid" ins Deutsche übernommen. Französisch jalousie entspricht dem gleichbedeutenden italienischen gelosia, das bereits Ende des 15. Jahrhunderts auch in der Bedeutung "durchbrochener Fensterladen" belegt ist. Das italienische Adjektiv geloso (älter: zeloso) geht auf vulgärlateinisch *zēlōsus "voller Eifer und fürsorglicher Liebe" zurück und ist eine Ableitung des Substantivs zēlus "Nacheiferung" (zēlare bedeutet "eifersüchtig sein, lieben") aus griechisch ζῆλος (zēlos) "Eifer, Eifersucht".

Vor allem zwei Bedeutungsstränge haben sich herausgebildet. Die Nachfahren von lateinisch zēlus drücken eine innere Ergriffenheit aus, einen zielgerichteten Eifer, in den Etyma von vulgärlateinisch *zēlōsus aber verselbständigt sich der Aspekt der überbordenden "Liebe", die besitzergreifend und misstrauisch ist und den anderen eifersüchtig verfolgt.

So wandert altfranzösisch zel im 14. Jahrhundert ins Englische, und zeal deckt heute verschiedene Bedeutungsnuancen von "Begeisterung" ab, wie zum Beispiel "Arbeitseifer, Strebsamkeit, Beflissenheit und Inbrunst". Das Nomen finden wir auch in anderen modernen romanischen Sprachen, siehe französisch zèle, italienisch zelo, spanisch celo "Beflissenheit, Eifer", und einen vorwiegend religiösen Fanatiker und Eiferer bezeichnen wir heute als Zeloten (aus griechisch ζηλωτής, zelotes).

Neuenglisch jealousy "Eifersucht" kommt über Vermittlung des Altfranzösischen um ca. 1200 ins Englische. Im Mittelenglischen bedeutete das Adjektiv jelos/gelos im Kontext romantischer Liebesbeziehungen "besitzergreifend, misstrauisch und argwöhnisch", also "eifersüchtig" (wie das gleichbedeutende altfranzösische jalos/gelos, französisch jaloux).

Unsere Jalousie(n) sind im heutigen Französisch store(s), italienisch tapparella, und im Englischen werden Innenrollos je nach Material und Lamellenausrichtung mit venetian blinds beziehungsweise roller blinds wiedergegeben. Und Fensterläden sind shutters, französisch persiennes, italienisch persiane.

Was haben nun Jalousien mit Eifersucht zu tun? Jalousien waren ursprünglich Fenstergitter, die zwar den Blick von innen nach außen ermöglichten, umgekehrt aber niemandem die Sicht von außen nach innen gewährten. Wie die Bezeichnungen französisch persienne, italienisch persiana andeuten, folgten diese Fenstergitter orientalischem Vorbild. In persischen Harems wachte der Hausherr eifersüchtig über seine Haremsdamen, damit sie nicht fremden Blicken ausgesetzt würden.

Die heutige Zusammensetzung aus Eifer und Sucht taucht erst im 16. Jahrhundert auf. Im Mittelhochdeutschen wurden die Bedeutungen "Eifer und Eifersucht" vom Simplex îfer abgedeckt. Ebenso bedeutete das Adjektiv îferec sowohl "eifrig" als auch "eifersüchtig". Und wenn uns Menschen imponieren, wenn uns bestimmte Charakterzüge und Verhaltensweisen an ihnen erstrebenswert erscheinen, dann eifern wir ihnen nach.

Eifersucht wird in der Literatur häufig thematisiert. So lautet auch der doppeldeutige Titel des 1957 erschienenen französischen Romans "La Jalousie" von Alain Robbe-Grillet. Der Erzähler des Romans ist ein eifersüchtiger Ehemann, der vermutet, dass ihn seine Frau mit dem Nachbarn betrügt. Mit Kamerablick beobachtet er das Geschehen durch die Jalousien hindurch und bekommt ausschnittweise mit, was im Außen vor sich geht.

Ich lasse jetzt die Jalousien herunter und spür nach, was in meinem Inneren abgeht. (Sonja Winkler, 5.7.2016)