Dhaka/Dubai – Die Attentäter sollen "Allahu Akbar" (Allah ist groß) geschrien haben, als sie am Freitagabend gegen 20.30 Uhr das bei Ausländern beliebte Café Holey Artisan Bakery mitten in Dhakas Diplomatenviertel stürmten. Erst nach zwölf Stunden konnten Spezialkräfte am Samstagmorgen die Geiselnahme beenden. Die blutige Bilanz: 20 tote Geiseln, darunter neun Italiener, sieben Japaner sowie ein US-Bürger. Auch die 18-jährige indische Studentin Tarishi Jain, die sich auf der Toilette versteckt hielt, überlebte nicht. Ihre Leiche habe Folterspuren aufgewiesen, berichteten indische Medien. Sechs Attentäter wurden getötet, ein siebenter festgenommen.
Das Blutbad löste weltweit Entsetzen und Bestürzung aus. Szenen wie diese kannte man bisher aus Afghanistan und Pakistan, nicht aber aus Bangladesch. Der italienische Premierminister Matteo Renzi sagte, Italien sei "in Tränen". Bangladeschs Regierung rief zwei Tage Staatstrauer aus.
Der koordinierte Terroranschlag mitten im Herzen der Hauptstadt Dhaka bedeutet für das 160 Millionen Einwohner zählende Land eine unheilvolle Zäsur. Der Angriff scheine sich "gezielt gegen Ausländer gerichtet zu haben", erklärte der deut- sche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. So war das Café bei Ausländern und wohlhabenden Einheimischen populär. Vor allem Geschäftsleute aus der Textilbranche trafen sich gerne hier.
Mordserie an Andersgläubigen und Liberalen
Der Anschlag kam nicht überraschend. Lange galt das mehrheitlich muslimische Land als Trutzburg gegen Extremismus. Doch seit zwei Jahren erschüttert eine Mordserie die Nation. Immer offener machen Extremisten Jagd auf Andersgläubige und Liberale. Bald 50 Menschen – Blogger, Künstler, Aktivisten für Homosexuellenrechte, Hindus, Christen – wurden getötet. Einmal reklamierte die Miliz "Islamischer Staat", ein andermal Al-Kaida die Morde für sich.
Doch die Regierung von Premierministerin Sheikh Hasina verharmloste die Gefahr. Stattdessen machte sie die Opposition und lokale Terrorgruppen verantwortlich. Im Juni ließ die Regierung zwar 14.000 Menschen festnehmen, doch darunter waren viele Oppositionsanhänger. Menschenrechtsgruppen nannten die Festnahmen "willkürlich". Nun scheint die Regierung aufgeschreckt, wohl auch, weil der Angriff in Dhaka auf Ausländer zielte und Bangladeschs florierende Textilindustrie gefährdet. Das Land ist abhängig vom Geschäft mit der Mode, das mit 26 Milliarden US-Dollar 80 Prozent der Exporte ausmacht.
IS brüstet sich im Internet
Sheikh Hasina versprach, den Terror "auszumerzen". Laut Regierung waren die Attentäter alle Einheimische und Mitglieder der verbotenen Terrorgruppe Jamayetul Mujahideen Bangladesh (JMB). Die Regierung bestritt, dass die JMB Verbindungen zum IS hat. Dagegen postete der IS Fotos von fünf angeblichen Tätern und brüstete sich mit dem Blutbad. Egal, wer am Ende dahintersteckt, er markiert eine neue Dimension des Terrors: Szenarien, dass auch Bangladesch zusehends in den Strudel extremistischer Gewalt gerät, scheinen nicht mehr abwegig. Alarmiert fragen Medien: "Wird Bangladesch die neue IS-Kampfzone?" (Christine Möllhoff, 3.7.2016)