Thomas Königstorfer muss als kaufmännischer Geschäftsführer des Burgtheaters das Theaterschlachtschiff mit Millionenschaden wieder auf Kurs bringen. Mit 31. August wird man positiv bilanzieren.

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Wien – In höchster Not übernahm der Oberösterreicher Thomas Königstorfer 2013, noch in der Ära Matthias Hartmann, die kaufmännischen Geschicke am Burgtheater. Mit seiner Mammutaufgabe, ein Theaterschlachtschiff mit Millionenschaden wieder auf Kurs zu bringen, liege man voll im Plan, sagt er. Mit 31. August wird man nun wieder positiv bilanzieren. Auch aus dem im Mai veröffentlichten Bericht des Rechnungshofs zur Direktion Hartmann/Stantejsky (2008–2013) will das Haus nun seine Schlüsse gezogen haben.

STANDARD: 90 Prozent der Rechnungshof-Empfehlungen sind umgesetzt. Was waren die größten Brocken?

Königstorfer: Es gab viele kleine Mosaiksteine, wobei es schwierig ist, einen herauszugreifen. Zentral war sicher, dass wir einen Weg finden mussten, möglichst effizient zu sparen, ohne dass das Publikum ein Sparprogramm zu sehen bekommt. Wir haben heute die geringsten Produktionsbudgets seit der Ausgliederung. Inflationsbereinigt etwa zehn Prozent weniger als in der Direktion Klaus Bachler. Wir fragen heute danach: Muss dieses Material fürs Bühnenbild wirklich so teuer sein? Geht es nicht günstiger? Die Herausforderung war: Wie werden Produktionen günstiger, aber bei gleicher künstlerischer Qualität.

STANDARD: Warum spielt man Produktionen, die ein volles Haus garantieren – etwa "King Lear" –, nicht öfter?

Königstorfer: "King Lear" ist ein wunderbarer Abend mit dem großartigen Klaus Maria Brandauer, der das Publikum mehr als vier Stunden in seinen Bann zieht. Aufgrund der Länge versucht unsere Disposition, die Aufführung letztendlich primär am Wochenende anzusetzen.

STANDARD: Der Rechnungshof (RH) hat die hohen Bargeldauszahlungen kritisiert. Man hört oft, die seien am Sprechtheater üblich.

Königstorfer: Es gibt im gesamten Bundestheaterkonzern, also auch an der Burg, keine bar ausgezahlten Künstlergagen mehr. Es wird aufs Konto überwiesen. Punkt. Zweifelsfrei haben sich Sichtweisen und Usancen in der Künstlerwelt über die Jahre verändert.

STANDARD: Sie glauben also, dass die Burgtheaterkrise hinsichtlich dessen auch auf andere Theater ausstrahlen könnte?

Königstorfer: Das weiß ich nicht. Ich will uns da jetzt keine Sonderrolle anmaßen. Bei uns war klar, dass wir es nach allen Ereignissen anders machen würden.

STANDARD: Die Bargeldauszahlungen hat man nun um neunzig Prozent gesenkt. Was sind die restlichen zehn Prozent?

Königstorfer: Dabei handelt es sich um knapp 200.000 Euro. Etwa die Hälfte davon dient zum Bareinkauf im Vorfeld von Produktionen. Es wird ja nicht jedes Kostüm in den Werkstätten maßgeschneidert. Ein Sakko oder eine Bluse werden auch von der Stange im Geschäft gekauft. Dafür gibt’s dann natürlich einen Beleg. Die andere Hälfte betrifft Ausgaben für Büromaterial, Postporto, Material der Hausarbeiter und dergleichen.

STANDARD: Das Vieraugenprinzip wurde in einer neuen "Pouvoir-Richtlinie" geregelt. Was besagt die?

Königstorfer: Wie in jedem Unternehmen legt sie fest, ab welcher Betragshöhe welche Personen für einen Geschäftsvorgang zu unterschreiben haben. Es gibt Bestellungen, die Abteilungsleiter und Mitarbeiter freigeben. Darüber hinaus gibt es Betragsgrenzen, wo es zusätzliche Unterschriften braucht, etwa jene der Geschäftsführer.

STANDARD: In welcher Form gab es diese Richtlinie schon unter Hartmann/Stantejsky?

Königstorfer: Es gab Regelwerke mit unterschiedlichen Titeln.

STANDARD: Wurde das Vieraugenprinzip damals eingehalten?

Königstorfer: Diese Frage werden die laufenden Verfahren beantworten müssen.

STANDARD: Der RH hat kritisiert, dass unter Stantejsky die Abschreibungsdauer von Produktionen in der Bilanz von drei auf fünf Jahre verlängert wurde. Wie handhaben Sie das nun?

Königstorfer: Man ist bei der Abschreibung grundsätzlich wieder zum dreijährigen Modell zurückgekehrt. Die Grundregel lautet: Eine Produktion darf nur dann in der Bilanz stehen, wenn sie werthaltig ist – das heißt, wenn ich Grund zur Annahme habe, dass eine Produktion wiederaufgenommen wird. Zum Ende jeder Spielzeit setzen wir uns zusammen und entscheiden das. Wenn wir uns bei einer Produktion noch nicht sicher sind, ob wir sie wiederaufnehmen, wird sie im Lager aufgehoben, in der Bilanz aber mit einem Buchwert Null dargestellt.

STANDARD: Getrickst wurde laut RH auch bei der Auslastung, indem Plätze mit Sichteinschränkung im Nachhinein aus dem Angebot genommen wurden. Nun verwenden Sie ein und denselben Saalplan?

Königstorfer: Es gibt wahrscheinlich in jedem Theater, insbesondere weit oben und weit hinten im Saal, Plätze mit Sichteinschränkung, die nur bei besonders hoher Nachfrage gekauft werden. Der RH hat kritisiert, dass diese, wenn sie nicht verkauft wurden, im Nachhinein für die Berechnung der Auslastung herausgestrichen wurden. Ich kenne aus anderen Häusern auch die umgekehrte Vorgangsweise, wonach diese Plätze von vornherein gesperrt sind und erst bei besonders starker Nachfrage freigeschaltet werden. Der RH will grundsätzlich, dass bei jeder Auslastungsberechnung derselbe Saalplan herangezogen wird. Das haben wir seit Sommer 2015 umgesetzt.

STANDARD: Ist die Auslastung dadurch gesunken?

Königstorfer: Wir liegen in diesem Jahr derzeit tatsächlich ein wenig unter dem Vorjahr. Wir werden es analysieren, aber es ist sicher ein Faktor.

STANDARD: Sollte nicht für alle Bundestheater dieselbe Auslastungszählung gelten?

Königstorfer: Ich gehe davon aus, dass das nun tatsächlich in allen Häusern gleich gehandhabt wird. Wir haben zwei Maßnahmen getroffen: Es gibt bestimmte Plätze einfach nicht mehr, etwa einige hintere Logenplätze in den oberen Rängen. Und sichtbehinderte Plätze in der Galerie werden zwar weiterhin verkauft, am Tag nach der Vorstellung aber nicht mehr herausgerechnet.

STANDARD: Die Ticketverkäufe konnten Sie steigern?

Königstorfer: 2014/2015 lagen die Ticketerlöse um fünfzehn Prozent über den Vorjahren, seit der Ausgliederung 1999 hat das Burgtheater ein bemerkenswertes Plus von mehr als sechzig Prozent an Kartenverkäufen. Und wir werden den Bestwert aus dem vorigen Jahr heuer noch einmal übertreffen.

STANDARD: Der RH hat auch den Umgang mit Dienst- und Regiekarten kritisiert.

Königstorfer: Dieses Thema wird derzeit intern von uns evaluiert.

STANDARD: Im "Kurier" war zu lesen, dass Sie die Abopreise für die kommende Saison massiv angehoben haben.

Königstorfer: Das stimmt so nicht. Im Gegenteil, die Abo-Preise sind seit 2014/2015 unverändert und bleiben dies auch 2016/2017. Es geht um etwas anderes: Ein Festabonnent hat eine Ermäßigung von 25 Prozent des Vollpreises. Aus historisch gewachsenen Gründen gibt es aber einzelne Abonnenten am Haus, die in den letzten Jahren fünfzig bis siebzig Prozent Ermäßigung bekamen. Sie waren tatsächlich aus Preiserhöhungen oder Sitzplatzneuordnungen herausgenommen worden. Diese anzugleichen war dem Burgtheater bereits vor meiner Zeit aufgetragen worden und daher eine logische kaufmännische Aufarbeitung der letzten Jahre. Dabei wurde im Dialog versucht, individuelle Lösungen zu finden, indem wir etwa die Umstellung auf einen günstigeren Aboplatz anbieten.

STANDARD: Gab es deswegen Abokündigungen?

Königstorfer: Es hält sich zum Glück in Grenzen. In der Regel wussten die Abonnenten ja um ihren enormen Vorteil in den letzten Jahren und haben die Notwendigkeit der Anpassung verstanden. Unsere Abonnenten sind und bleiben unser wichtigstes Publikum, und wir bauen für sie unsere Serviceleistungen weiter aus, etwa mit einer neuen App in diesem Herbst.

STANDARD: Die steuerlichen Probleme der Burg sind mittlerweile gelöst?

Königstorfer: Das ist weitgehend abgeschlossen. Es gab seitens des Finanzamtes und der Krankenkasse in den Jahren 2014/2015 sehr groß angelegte Überprüfungen. Die Nachforderungen sind bereits zurückgezahlt.

STANDARD: Sie hatten um einen teilweisen Erlass dieser Nachzahlungen ersucht?

Königstorfer: Wir haben generell versucht, die Nachzahlungen so gering wie möglich zu halten. Unsere Mitarbeiter haben zig Vertragsverhältnisse rekonstruiert, Rechnungen und Formulare nachträglich eingeholt, was uns viel Geld erspart hat. Eine Maßnahme war auch das Ansuchen um Nachsicht eines Teils des Betrages, das ist im Übrigen auch die Verpflichtung einer GmbH im Sinne der Schadensminderung. Das Finanzamt ist dem allerdings nicht gefolgt.

STANDARD: Wie hoch sind die Schulden der Burg noch, und wann rechnen Sie mit einer Entschuldung?

Königstorfer: Der Begriff der Schulden ist ja vielschichtig: Die Bilanz der Burg hat 2012/2013 negatives Eigenkapital, einen Bilanzverlust sowie eine negative Liquidität ausgewiesen. Zur Sanierung der Cash-Situation mussten wir damals in der Krise unsere Probebühne verkaufen und einen Fünf-Millionen-Kredit aufnehmen, um ausreichend Liquidität zu haben und unsere Gehälter bezahlen zu können. Dieser Kredit ist über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren zurückzuzahlen. Davon sind im Tilgungsplan aktuell 4,6 Millionen Euro offen. Ich hoffe jedoch, dass wir nicht die vollen fünfzehn Jahre brauchen werden, um unsere Schulden zurückzuzahlen.

STANDARD: Wie werden sich Eigenkapital und Bilanzverlust entwickeln?

Königstorfer: Der Sanierungsprozess verläuft nach Plan, wir werden mit Stichtag 31. August 2016 jedenfalls wieder positives Eigenkapital in der Bilanz ausweisen. Ermöglicht wird dies durch die Immobilienverkäufe im Konzern und aufgrund der guten Entwicklung des laufenden Betriebs. Die letzten beiden Spieljahre schreibt das Burgtheater schwarze Zahlen, arbeitet im Plan und baut langsam wieder Liquidität auf. Das wird auch 2015/2016 so sein.

STANDARD: Der neue Budgetschlüssel für die Bundestheater wurde unlängst genehmigt. Wie zufrieden sind Sie mit der Verteilung der Mittel?

Königstorfer: Die Basisabgeltung der Bundestheater wurde 2015 um vierzehn Millionen angehoben, damit wurde erstmals ermöglicht, dass Drei-Jahres-Budgets beschlossen werden konnten. Dass sich das Burgtheater immer für einen möglichst hohen Anteil an dieser Basisabgeltung einsetzt, liegt in der Natur der Sache. Das ist in den Budgetgesprächen mit der Holding zu verhandeln.

STANDARD: Kulturminister Drozda will sich für eine Valorisierung (Inflationsanpassung der Subventionen, Anm.) starkmachen.

Königstorfer: Theater sind personalintensive Einrichtungen. Zumindest zum Teil brauchte man daher eine Valorisierung, ansonsten wird das Budget real ja jährlich gekürzt. Das Burgtheater hat seine Erlöse seit der Ausgliederung um mehr als sechzig Prozent gesteigert, die Personalkosten um zwanzig Prozent gesenkt. Das ist nicht beliebig fortsetzbar. Wir brauchen nicht ein Mehr an öffentlichen Mitteln, sondern wünschen uns nur die indexiert gleichen Beträge. (Stefan Weiss, 4.7.2016)