Immer öfter sind internationale Investoren in Wien unterwegs.

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Der "Stafa Tower" wurde jüngst von der Bayerischen Versorgungskammer erworben.

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Der Brexit beschäftigt auch die österreichische Immobilienbranche: "Man muss sich daran gewöhnen", meinte Andreas Ridder, Geschäftsführer von CBRE Österreich, bei einem Pressegespräch am Dienstag. "Stabilität und ruhiges Fahrwasser sind selten."

Denn Großbritannien war bisher der bei weitem wichtigste Investmentmarkt Europas. Etwa 35 Prozent des europäischen Transaktionsvolumens entfielen bislang auf die Insel. Schon im Vorfeld zur Abstimmung gab es Brexit-Klauseln bei Kaufverträgen, die einen Rücktritt im Fall eines EU-Austritts erlaubten: "Und in den meisten Fällen wurden diese Klauseln auch genutzt", so Ridder.

Zwei Szenarien seien nun denkbar: Entweder die Preise in England fallen massiv, was keinen allzu starken Rückgang der Transaktionen erwarten ließe. Oder das Investitionsvolumen bricht ein und die Investoren kommen – vielleicht – nach Kontinentaleuropa. "Aber in den nächsten zwei bis drei Monaten wird nicht plötzlich unglaublich viel Geld nach Kontinentaleuropa kommen", so Ridder.

Im Windschatten Deutschlands

Der zweitwichtigste Markt für Investoren war übrigens bislang Deutschland. "Daher nehmen wir an, dass Deutschland eher profitieren wird", sagt Ridder. Und vielleicht auch Österreich: "Wir sind im Windschatten von Deutschland immer relativ gut gefahren." Allgemein erwartet Ridder, dass Investoren nun verstärkt auf sichere Märkte wie Österreich setzen.

"Der Brexit könnte das Interesse an kontinentaleuropäischen Immobilien steigern", sagte auch Franz Pöltl, Geschäftsführer der EHL Investment Consulting, bei einem Pressegespräch am Dienstag.

Mit dem ersten Halbjahr und einem Transaktionsvolumen von 1,3 Milliarden Euro zeigten sich die Investment-Experten bei EHL und CBRE allgemein zufrieden. Das Gesamtjahr könnte ähnlich erfolgreich wie das Vorjahr werden, in dem insgesamt 3,9 Milliarden Euro flossen. Vielleicht wird sogar ein neuer Rekord gebrochen und an der Vier-Milliarden-Euro-Grenze gekratzt, glaubt man bei CBRE.

Zu den größten Deals des bisherigen Jahres gehören die Verkäufe des IZD Tower, des Hilton Stadtpark Wien und des La Stafa in der Mariahilfer Straße. "Und es sind einige große Deals am Köcheln", kündigte Georg Fichtinger, Head of Capital Markets bei CBRE Österreich, an.

Große Volumina

Der "interessanteste und auffälligste Trend" ist für Michael Ehlmaier, den geschäftsführenden Gesellschafter von EHL Immobilien, die "Globalisierung" des Investmentmarktes: Denn immer öfter kämen die Käufer aus dem Ausland, etwa aus Australien, Asien und Nordamerika. Besonders gefragt seien bei ihnen große Volumina über hundert Millionen Euro.

Sandra Bauernfeind, Geschäftsführerin EHL Immobilien Management, rechnet auch mit Auswirkungen des Brexit auf den Wohnimmobilienmarkt: "Die Nachfrage nach Anlageimmobilien verstärkt sich aufgrund der zugenommenen Verunsicherung." Auch während der Griechenland-Krise sei die Nachfrage nach Wohnimmobilien daher sehr groß gewesen. "Und auch die Wohnungsnachfrage im Eigennutzersegment wird steigen", so Bauernfeind.

Kleinere Wohnungen

Die Expertin sieht am Wohnimmobilienmarkt allgemein weiter moderat steigende Kaufpreise und Mieten, "aber weniger als in den letzten Jahren". Teurer wurde es in Teilmärkten wie den Stadtentwicklungsgebieten rund um den Haupt- und den Nordbahnhof, wo die Preise laut EHL um etwa zwei Prozent zulegten.

20.000 Wohnungen werden laut Berechnungen von EHL pro Jahr in Wien benötigt – und zwar nicht nur aufgrund des Zuzugs aus dem In- und Ausland, sondern auch weil die Haushaltsgrößen schrumpfen.

Um den wachsenden Nachfrageüberhang am Wohnungsmarkt zu bekämpfen, seien vor allem leistbare Wohnungen nötig. Neubauwohnungen würden kleiner und effizienter ausfallen und immer öfter Büroflächen zu Wohnungen umgewandelt oder ursprünglich als Bürotürme geplante Objekte – zumindest teilweise – als Wohntürme gebaut: "Damit kommt ein internationaler Trend nach Wien", so Bauernfeind. (Franziska Zoidl, 5.7.2016)