Bis zum Herbst wollen Kanzler Kern und ÖVP-Chef Mitterlehner die Gewerbeordnung novellieren.

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Künftig soll ein Nageldesigner mit einem Gewerbeschein sowohl Finger- als auch Fußnägel lackieren dürfen

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Wien – An Kuriositäten mangelt es in der Gewerbeordnung nicht. Ein Nageldesigner darf zwar Fingernägel, nicht aber Fußnägel machen. Dafür bräuchte er einen eigenen Gewerbeschein. Derartige Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit sollen bald der Vergangenheit angehören.

Für alle freien Gewerbe – es gibt derer 440 in Österreich – soll künftig ein einheitlicher Gewerbeschein reichen. Entsprechende Pläne – DER STANDARD berichtete – wurden von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Dienstag bestätigt.

40.000 Verfahren weniger

Für die Unternehmer hätte das auf mehreren Ebenen Vorteile: 40.000 von derzeit 80.000 jährlichen gewerblichen Anmeldeverfahren würden wegfallen, schätzt der ÖVP-Chef. Wer derzeit noch mehrere Gewerbescheine hat, darf auch mit einer Entlastung bei der Kammerumlage rechnen.

Die Grundumlage hängt nämlich von der Zahl der Gewerbescheine ab. Wie das Wirtschaftsministerium zuletzt in der Beantwortung einer Anfrage der Neos mitgeteilt hat, gibt es 605.000 gewerbetreibende Personen, aber 795.000 Gewerbescheine in Österreich. Insgesamt zahlten die Unternehmer zuletzt 181,7 Millionen Euro an Grundumlagen. Auf Basis dieser Zahlen dürfte der einheitliche Gewerbeschein eine Entlastung von rund 43 Millionen Euro für die Gewerbetreibenden bringen.

Mitterlehner selbst wollte aber noch keine Zahlen nennen. Er wolle zuerst mit den einzelnen Fachgruppen diskutieren. Geplant ist eine Reform der Gewerbeordnung für den Herbst. Bis dahin sollen auch die 82 reglementierten Gewerbe, die nur nach Vorlage eines Befähigungsnachweises ausgeübt werden dürfen, und die 21 Teilgewerbe (vereinfachter Befähigungsnachweis) auf ihre Sinnhaftigkeit durchforstet werden.

Leitl sagt nicht Ja und nicht Nein

Nicht gerade begeistert klingt die Reaktion von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl auf die Vorschläge seines früheren Vizegeneralsekretärs Mitterlehner. Ob man die Zahl der reglementierten Gewerbe nicht drastisch reduzieren könne? "Das kann ich heute noch nicht beurteilen. Ich sage weder Nein noch Ja." Im Gespräch mit dem STANDARD sieht Leitl eine "ergebnisoffene" Diskussion, verspricht aber, die Kammer werde sich "konstruktiv einbringen".

Auch sei die Idee eines einheitlichen Gewerbescheins für alle freien Gewerbe vorerst nur "eine Überlegung, die es zu vertiefen gilt". Zu bedenken sei beispielsweise, dass derzeit die Kollektivverträge an den einzelnen Fachgruppen hängen würden. Und zum drohenden Einnahmenentfall bei der Kammerumlage sagt Leitl: "Auch ich gehe davon aus, dass die Umlage in irgendeiner Form gesenkt wird" – fügt aber als kleine Spitze hinzu: "Ich würde mir wünschen, dass nicht nur über Ineffizienzen in der Wirtschaft diskutiert wird, sondern auch über jene beim Staat." Leitl: "Ich bin gespannt, wann der Staat bei sich zu modernisieren beginnt."

Abwartend reagiert er auch auf die von Rot-Schwarz angekündigte Studie zu Effiziensteigerungen bei den Sozialversicherungsträgern. Ob auch die Fusion der Versicherung der Gewerblichen (SVA) mit einer anderen Kassa denkbar sei? "Denkbar ist im Prinzip alles." (Günther Oswald, 4.7.2016)