Foto vom Vorfall in Graz im Jänner 2016 (DER STANDARD berichtete). Die Staatsanwaltschaft beurteilt den Schlagstock "aufgrund seiner Konstruktion" nicht als verbotene Waffe.

Foto: Privat

Graz/Wien – Wie aus dem Nichts seien plötzlich sieben Männer aufgetaucht, die sich lautstark zur rechtsextremen Identitären Bewegung bekannten und mit Schlagstöcken, einem Gürtel und einer Eisenschnalle auf fünf junge Studierende losgingen: So schildern Teilnehmer einer antifaschistischen Kundgebung einen Übergriff, der sich Anfang Jänner in Graz zugetragen hat. Eine junge Aktivistin aus Wien, die angab, gewürgt worden zu sein, hatte den Vorfall mit Fotos festgehalten.

Keine verbotene Waffe

Doch trotz der Bilder, Zeugenaussagen und ärztlicher Atteste stellte die Staatsanwaltschaft Graz das Verfahren gegen die Unterstützer der Gruppierung ein. Der Grund: Die Behörde wollte den Antifaschisten keine "erhöhte Glaubwürdigkeit" zusprechen und nannte deren Verletzungen "nicht zuordenbar". Auch sei ein von einem Rechtsextremisten mitgeführter Schlagstock "aufgrund seiner Konstruktion" keine verbotene Waffe.

Da nach der Aktion auch die Identitären Anzeige erstattet hatten, wurden die Opfer des Überfalls ebenfalls als Beschuldigte geführt. Nun ist das Verfahren gegen alle zehn Beschuldigten eingestellt worden – auch weil für die Verfolgung des Delikts der "Körperverletzung" ein unmittelbarer Täter, für den "Raufhandel" hingegen schwere Körperverletzungen zwingend seien. Beides sei bei dem Vorfall nicht gegeben.

Gefahrenpotenzial

In einer aktuellen parlamentarischen Anfragebeantwortung schreibt das Innenministerium, dass "die ideologisch ableitbare militante Grundhaltung der Bewegung" derzeit "nicht an einer konkreten Gewaltbereitschaft von Einzelpersonen festzumachen" sei. Das größte Gefahrenpotenzial für die öffentliche Ordnung sieht das Innenministerium dann auch nicht bei den rechtsextremen Identitären selbst, sondern beim "auf der Straße geführten Diskurs" durch "diametrale politische Lager". Bei der Demo der Identitären vor einigen Wochen in Wien war ein Sympathisant der Gruppierung durch einen Steinwurf verletzt worden, die Polizei ermittelt nun wegen Mordversuches.

Ebendort sprach ein Redner der Rechtsextremen auch davon, "Adressen" der antifaschistischen Aktivisten zu besitzen. Diese könnten beispielsweise durch Akteneinsicht im Grazer Fall an die Identitären gelangt sein. Die Adressen wurden trotz Schwärzungsersuchen von der Staatsanwaltschaft weitergeleitet. "Gerade angesichts der steigenden Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Gruppe befürchten wir Racheaktionen für die antifaschistischen Proteste gegen die Identitären-Demo, gegen uns oder unsere Wohnungen", sagt eine der Betroffenen zum STANDARD.

Scharfe Kritik von Grünen

Das Innenministerium sieht jedoch laut Anfragebeantwortung weiterhin "keine konkreten Hinweise über Absichten zur Umsetzung von Gewaltaktivitäten oder Straftatbeständen".

Der grüne Abgeordnete Harald Walser, der die Anfrage eingebracht hatte, bezeichnet das Ministerium aufgrund der Antworten als "Hort der Ahnungslosigkeit." Die Abschwächung der "Militanz der Identitären" und schleppende Ermittlungen seien "mit Sicherheit alles andere als eine ernst gemeinte Bekämpfung des Rechtsextremismus", sagte Walser dem STANDARD.

Er bemängelt außerdem, dass Ermittlungen noch andauerten, obwohl antifaschistische Recherchegruppen Teilnehmer von Identitären-Aktionen schon "seit zwei Monaten" eindeutig im Netz identifiziert hatten. (Fabian Schmid, Markus Sulzbacher, 6.7.2016)