Wien – "Ein guter Tag beginnt mit einer Bohrmaschine", sagte Gerald Bast, wenige Minuten bevor er für die Pressefotografen mit dem Bohrhammer Putz von der Hoffassade stemmte. Der Rektor der Universität für angewandte Kunst in Wien wollte vermutlich den "Drive" demonstrieren, dem er der Adaption des Gebäudes in der Vorderen Zollamtsstraße 7 beimisst. Der vom Stammhaus der Universität aus gesehen am gegenüberliegenden Ufer des Wienflusses liegende Bau wird um 39 Millionen Euro im Innern radikal zu einem neuen Campus umgewandelt. Das Äußere des früher vom Finanzministerium als Zollamt genutzten Gebäudes wird bis auf "ein sichtbares, auf die Angewandte hinweisendes Zeichen" erhalten bleiben. Das verlangt auch der Denkmalschutz.
Bis Ende Mai hatte der Eigentümer, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), das Haus mit seinen drei Höfen dem Innenministerium als Notunterkunft für Asylwerber überlassen. Es war temporär das größte Quartier in der Bundeshauptstadt, beherbergte bis zu 1.100 Personen. Anfang vergangenen November hatten sich BIG, Rotes Kreuz, Gemeinde Wien und die Angewandte, der das Haus bereits zugesagt worden war, in nur vier Stunden auf die mietfreie Zwischennutzung geeinigt; am selben Abend standen bereits 800 Notbetten in den früheren Büros. "Wenn alle Liegenschaftseigentümer in Österreich ein solches Engagement zeigen würden, müssten wir nicht über Notstand reden", sagte Bast bei der Präsentation der Umbaupläne am Mittwoch.
Noch heuer im Sommer wird mit den Arbeiten begonnen, die laut Bast dringend notwendig sind. Als die Universität Anfang der 1960er-Jahre den Schwanzer-Trakt am Oskar-Kokoschka-Platz bezog, zählte sie rund 560 Studierende. Heute sind es 1.800, "zusammengepresst", wie der Rektor sagte. Der derzeit größte Hörsaal fasst 90 Menschen.
Ein Gebäude entkernen
Ein erster Plan zur Erhöhung der Kapazitäten wurde aus Kostengründen verworfen, Ende 2014 fiel die Entscheidung zugunsten der "Vozo", und neben anderen begann das Architekturbüro Riepl Kaufmann Bammer mit Überlegungen. Im Februar 2015 fiel die Wahl auf den rigorosen Vorschlag des Wiener Teams. Die zwei Verbindungstrakte zwischen den Längsflügeln werden gänzlich abgerissen, sodass ein Vierkanter mit einem mehrere hundert Quadratmeter großen Atrium in der Mitte entsteht. Das Gebäude werde "entkernt", sagte BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss. Ein Glasdach soll Licht in den Hof lassen, auf den man von Galerien auf allen fünf Etagen aus wird hinabblicken können.
Im laut Weiss "nach innen gekehrten Campus" werden auf 9.500 nutzbaren Quadratmetern Hörsäle, Büros, wissenschaftlich-theoretische Abteilungen, eine Universitätsbibliothek und ein Veranstaltungszentrum untergebracht. Einige kleinere Außenstellen der Angewandten können folglich aufgelassen werden.
Draußen an der Vorderen Zollamtsstraße wird der Gehsteig verbreitert, dafür werden einige Parkplätze verlegt. Im Frühjahr 2018 soll das neue Haus eröffnet werden, und zumindest für das kommende Vierteljahrhundert soll die Universität dann darin untergebracht sein. So lange läuft der Mietvertrag. Bast sprach der BIG "Dank und Kompliment für die wunderbare Zusammenarbeit" aus.
Der Rektor darf sich zudem über eine weitere BIG-Investition in der Höhe von 27 Millionen Euro für die Sanierung des Schwanzer-Trakts beim Hauptgebäude freuen. Auch dort sollen die Verbindungsgänge offener werden, die Sanitär-, Belüftungs- und Heizungsanlagen werden von Grund auf renoviert, die EDV- und Elektroleitungen neu verlegt und ein Lastenlift installiert.
Solche Investments in den Kunstbetrieb seien wertvoll und nötig, sagte Bast; Wien verstehe sich aals Standort der Innovation, und die Angewandte als Player im Kulturbetrieb der Stadt biete diese geistige Infrastruktur. (Michael Matzenberger, 6.7.2016)