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Alexander Lukaschenko hat ein engmaschiges Abhörnetz aufbauen lassen – ausländische Mobilfunker helfen ihm dabei.

Foto: Nikolay Petrov/BelTA/Handout via REUTERS

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) untersuchte die Überwachungspraktiken der weißrussischen Behörden und stieß dabei auf europäische Telekommunikationsunternehmen, die dem autoritären Regime von Präsident Alexander Lukaschenko willfährige Helfer sind. Neben türkischen und russischen Mobilfunkern findet sich in der Liste auch die heimische, mittlerweile mehrheitlich vom mexikanischen América Móvil übernommene Telekom Austria. Sie hält 100 Prozent am weißrussischen Mobilfunker Velcom.

"Unternehmen, die in Weißrussland arbeiten, müssen den Behörden Zugriff auf ihre Kundendaten gewähren. Wenn der Geheimdienst KGB jemanden ausspionieren will, muss er keinen Vollstreckungsbefehl vorweisen und das Unternehmen nicht um Zugang zu den Daten bitten", sagt AI-Experte Joshua Franco. Für viele Journalisten und politische Aktivisten in dem autoritär regierten Land stelle das Mobiltelefon einen "Polizisten in der Hosentasche" dar.

System aus Sowjet-Zeiten

Das Abhörsystem Sorm, mit dem per Gesetz alle Mobilfunknetze kompatibel sein müssen, macht die umfassende Überwachung möglich. Sorm war bereits in der Zeit der Sowjetunion eingeführt worden, als der KGB mit umfassender Telefonüberwachung experimentiert hatte. Auch in Russland ist das System noch im Einsatz, wo es als Sorm-3 mittlerweile zur kompletten Internetüberwachung eingesetzt wird. Russland und Weißrussland sind Verbündete, auch die Sicherheitskräfte kooperieren eng miteinander.

Abhören ohne Gerichtsbeschluss

"Die meisten Menschen haben Angst, am Telefon offen zu sprechen. Die Angst wird Teil deines Denkens. Wenn ich in einem geschlossenen Raum oder am Telefon spreche oder eine E-Mail schreibe, gehe ich davon aus, dass alles beim KGB landet", zitiert der Bericht eine weißrussische Journalistin. Abgehört wird, wer nach Lesart des Regimes die "nationale Sicherheit" gefährdet, die Behörden können dies veranlassen, ohne ein Gericht damit zu befassen.

Wie viele Menschen in Weißrussland tatsächlich betroffen sind, ist unklar, fest steht laut Franco aber, dass "allein die Möglichkeit, von Behörden ausspioniert zu werden, die Arbeit von NGOs und Aktivisten so gut wie unmöglich" macht. AI pocht nun auf eine Uno-Richtlinie, wonach sich Unternehmen nicht auf nationale Gesetze berufen können, um Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen.

Telekom Austria in der Kritik

Gegenüber Amnesty hat die Telekom Austria Group angegeben, verpflichtet zu sein, weißrussisches Recht zu befolgen. Allerdings habe man gewisse problematische Praktiken "aufgezeigt". Amnesty kritisiert den heimischen Konzern und schreibt, dass die Telekom Austria "daran scheitert, ihre Due Diligence hinsichtlich Menschenrechte" zu erfüllen. Der Konzern hält in einer Stellungnahme gegenüber DERSTANDARD fest, dass "sich sämtliche Aktivitäten von Velcom im nationalen und internationalen Rechtsrahmen" befänden. "Wir, als Telekom Austria sind uns der politischen Rahmenbedingungen und der Menschenrechtsthematik sehr bewusst", so eine Unternehmenssprecherin, "gleichzeitig sehen wir den positiven Einfluss einer Öffnung der weißrussischen Wirtschaft auch für westliche Investoren." (Florian Niederndorfer, Fabian Schmid, 7.7.2016)