Die Inszenierung von Andreas Gergen wechselt die Schauplätze.

Foto: Seefestspiele Mörbisch / Jerzy Bin
Foto: Seefestspiele Mörbisch / Jerzy Bin

Mörbisch am See – Rund um das Jahr 1930 geisterten düstere Vorahnungen über den europäischen Kontinent. Wirtschaftskrise und Vergnügungssucht, dumpfe Nationalgefühle, die Hoffnung auf ihre Überwindung und die Verheißungen des amerikanischen Kontinents prägten die wechselvolle, zugleich wie elektrisierte Stimmung.

Die Länder West- und Mitteleuropas waren aber auch noch – schon durch das Erbe der Monarchien – vielfältig miteinander verbunden. Und so konnte ein Stück Musiktheater im Februar 1930 in Budapest uraufgeführt werden, im Juli nach Leipzig kommen und im Dezember desselben Jahres nach Wien. Das sind die Eckdaten der rasant beginnenden Erfolgsgeschichte von Paul Abrahams Operette "Viktoria und ihr Husar", die dann freilich durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 jäh gebremst wurde.

Regietheater mit Nostalgiebrille

Wie in den meisten Operetten der Zwischenkriegszeit ist die Brille für die ganze Geschichte die der Nostalgie. Wenn die Handlung hier "nach 1918" spielt, bezieht sie sich auch ganz eindeutig auf die "Welt von Gestern" stabiler (habsburgischer) Verhältnisse. Das Libretto von Imre Földes ist ebenfalls geprägt vom Ton der Verklärung, doch zugleich mit bedrohlichen Szenarien durchwachsen. Krieg und Gefangenschaft, Revolution und Gegenrevolution, schließlich ein zum Tod verurteilter (doch freilich geretteter) Protagonist hängen wie ein Damoklesschwert über den drei Akten, bis sich die Wolken schlussendlich genrekonform lichten.

Nun sind und bleiben die Seefestspiele Mörbisch natürlich ein Unternehmen, das vor allem Freude verbreiten möchte – ziemlich genau so hat es der ehemalige Intendant Harald Serafin auch ausgedrückt. Doch unter seiner Nachfolgerin Dagmar Schellenberger wird – zumal in diesem Jahr und bei diesem Stück – spürbar, dass diese Prämisse nicht bedeuten muss, alles Unschöne auszusperren. Angesichts des ersten Bildes auf der Seebühne meinte ein Betrachter: "Ich will den Professor Serafin wieder! Das ist ja Regietheater!"

International Katastrophisches

Nein, es ist ein Gefangenenlager in Sibirien, von Soldaten beherrscht: Die Ausstattung von Christian Floeren stilisiert es (ein melancholischer Soldat spielt am Lagerfeuer Ziehharmonika, bevor die Aufführung beginnt), aber beschönigt nicht jene Andeutungen des Katastrophischen, die die Operette eben beinhaltet. Diesen Ansatz verfolgt auch die Inszenierung des ebenso musical- wie operettenerfahrenen Operndirektors des Salzburger Landestheaters Andreas Gergen: Alle Klischees des Stücks werden – leicht und ironisch – ausgespielt, das frivole Element ausgiebig und lustvoll bedient; wo Gefahr droht und Brutalität herrscht, wird das aber ebenso gezeigt.

Wenn sich etwa Koltay (Michael Heim) und Janczi (Andreas Sauerzapf) nur dadurch von ihrer Gefangenschaft freikaufen können, dass ein Soldat die von ihm geforderte Geige erhält, wird dessen anschließende Bestrafung beklemmend konkret. Schon von seiner Handlung her ist das Stück multinational angelegt, wenn die Schauplätze von Sibirien über Tokio nach Sankt Petersburg und endlich nach Ungarn wechseln, dazu Amerikanisches und Französisches ins Spiel kommt. Der Globus auf dem Bühnenhintergrund zeigt an, dass sich die Schicksale nicht auf eine Region beschränken lassen.

Polystilistische Musik

Paul Abraham hat dazu eine ebenso polystilistische Musik geschrieben, mit asiatischen Exotismen, amerikanischen Einsprengseln und natürlich viel ungarischem Lokalkolorit – eine Mischung, die Dirigent David Levi und das festivaleigene Orchester mit Geschmack, Gefühl und einer nicht ganz idealen Tonanlage umsetzten. Über die Singstimmen lässt sich nur unter Vorbehalt berichten, dass Dagmar Schellenberger trotz einigen Flackerns eine sehr präsente Gräfin Viktoria gab, Andreas Steppan als ihr Gatte Cunlight auch mit seinem Sprechgesang deutlich hörbar waren und etwa Peter Lesiak (Ferry) und Verena Barth-Jurca (O Lia San) trotz viel Aktionismus bei guter Stimme blieben.

Es war ein kleines Husarenstück der Produktion, wie das Duett der zwei ("Mausi, süß warst du heute Nacht"), das leicht ein wenig peinlich und langatmig wirkt, nicht zuletzt dank der Choreographie Simon Eichenberger mit Maus-Ballett und Katzen-Schatten zur selbstironischen Nummer wurde. Eine der weiteren Doppelbödigkeiten war es, wenn die zahlreichen ungarisch-nationalen Töne einmal vom Grammophon kamen, die Platte hängen blieb und auch die gesamte Tanzkompagnie ins Stottern geriet.

Wie am Schnürchen liefen hingegen das Happy End samt tränendrüsenerregendem Gefühlsüberschwang und das obligatorische Feuerwerk, das durch seine Verbindung mit Wasserspielen, die schon die Vorstellung begleiteten, einen kleinen Kontrapunkt erhielt. (Daniel Ender, 8.7.2016)