Wien – Jahr für Jahr haben bisher rund 5.000 Jugendliche das Schulsystem verlassen, ohne über einen Pflichtschulabschluss zu verfügen oder eine Lehre begonnen zu haben. Statistisch gesehen werden sie viel häufiger arbeitslos. Nicht zuletzt wegen dieser alarmierenden Zahlen wurde vergangene Woche die sogenannte Ausbildungspflicht bis 18 vom Nationalrat beschlossen. Jeder muss also künftig eine weiterführende Schule oder eine berufliche Ausbildung absolvieren.

Wie es aktuell um das Ausbildungslevel und die Ausbildungsbereitschaft von schlecht qualifizierten Jugendlichen steht, zeigt eine neue Studie für das Arbeitsmarktservice Wien. Verglichen wurde, wie sich das Niveau von Jugendlichen, die im ersten Halbjahr 2011 beim AMS-Wien gemeldet waren, bis zum Jahr 2015 verändert hat.

20.000 Personen untersucht

Basis der 2011er-Erhebung waren rund 28.500 Personen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, die über maximal Pflichtschulabschluss verfügten. Für den Vergleich wurden dann jene rund 20.000 Männer und Frauen herangezogen, deren letzte AMS-Vormerkung im Jahr 2015 maximal ein Jahr zurücklag.

Die zentralen Ergebnisse der Studie:

  • Kein Abschluss: Fast 60 Prozent jener 3.950 Menschen, die 2011 nicht einmal einen Pflichtschulabschluss hatten, blieben auf diesem Niveau. Immerhin 41 Prozent konnten ihr Bildungsniveau verbessern – der Großteil holte den Pflichtschulabschluss nach, sieben Prozent konnten einen Lehrabschluss oder zumindest eine Teillehre vorweisen.
  • Nur Pflichtschule: Deutlich größer ist jene Gruppe, die 2011 bereits einen Pflichtschulabschluss vorweisen konnte. Die überwiegende Mehrheit (73 Prozent) hatte auch 2015 noch keinen weiterführenden Abschluss. Ein knappes Viertel schaffte den Sprung auf Lehrniveau. Eine kleine Gruppe – 274 Personen oder zwei Prozent – holte im Untersuchungszeitraum die Matura nach, 38 Personen (0,2 Prozent) sogar eine akademische Ausbildung.

Migrationshintergrund

Was man auch von anderen Studien weiß: Menschen mit Migrationshintergrund gelingt der Bildungsaufstieg seltener. 53 Prozent der 2011 beim AMS gemeldeten Jugendlichen waren Migranten der ersten Generation (sie wurden im Ausland geboren), neun Prozent waren Migranten der zweiten Generation (ihre Eltern wurden im Ausland geboren).

In der Vier-Jahres-Betrachtung zeigt sich dann, dass es Migranten der ersten Generation etwas seltener als Einheimischen gelingt, ihren Ausbildungsstand zu verbessern. Migranten der zweiten Generation sind hingegen sogar etwas erfolgreicher als sogenannte autochthone Österreicher.

Unterschiede nach Staatsangehörigkeit

Die im Vorjahr in größerer Zahl nach Österreich gekommenen Flüchtlinge spielten in der Studie zwar noch keine Rolle, Studienautorin Doris Landauer führte aber eine gesonderte Auswertung von türkischen (1.627 Personen) und afghanischen Staatsbürgern (579 Personen) durch, die bereits 2011 beim AMS gemeldet waren.

Hier zeigen sich deutliche Unterschiede: Im Vergleich zu anderen Migranten gelingt es türkischen Staatsbürgern am seltensten, einen positiven Pflichtschulabschluss nachzuholen. 64 Prozent bleiben auf ihrem Ausbildungsniveau. Afghanen sind hier erfolgreicher, von ihnen bleiben 51 Prozent ohne Pflichtschulabschluss, was sogar ein geringfügig besserer Wert als bei österreichischen Staatsbürgern (59 Prozent) ist.

Nicht alle verlassen die Schule mit einem positiven Abschlusszeugnis.
Foto: corn

In Vorleistung gehen

Beim Nachholen von Lehrabschlüssen sind afghanische Staatsbürger dann zwar deutlich weniger erfolgreich als Österreicher (16 zu 25 Prozent), unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie erst die Sprache lernen mussten, sieht Landauer aber die Sinnhaftigkeit von Investitionen in die Bildung von Zuwanderern bestätigt: "Nützen wir die Gelegenheit, in Vorleistung zu gehen. Lassen wir sie sich bilden und ausbilden."

Sie plädiert aber auch dafür, verstärkt auf die Bedürfnisse von jungen Eltern einzugehen. Immerhin 22 Prozent der untersuchten Personen – sie waren 2015 zwischen 19 und 29 Jahre alt – hatten bereits ein oder mehrere Kinder. Bei den Frauen ist der Anteil deutlich höher (28 Prozent) als bei den Männer (18 Prozent).

Um ihnen den Bildungsaufstieg zu erleichtern, brauche es mehr als nur den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, argumentiert Landauer. Nötig seien Möglichkeiten, Ausbildung und Betreuungspflichten besser zu vereinbaren. Diskutiert werde immer nur über Teilzeitjobs, nicht aber über "Teilzeitausbildungen". "Diese Lücke muss dringend gefüllt werden – für Mütter und Väter." (Günther Oswald, 11.7.2016)