Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet jenes Land, das sich so pathetisch auf Gleichheit, Freiheit und die unbegrenzten Möglichkeiten seiner Bürger beruft, unter anderem auf jahrhundertelanger Sklaverei und Rassismus basiert. Erstere wurde 1865 abgeschafft, Letzterer blieb – bis heute. Dass Rosa Parks sich weigerte, ihren Platz im Bus für einen Weißen zu räumen, dass Martin Luther King einen Traum hatte und ebenso wie Malcolm X sein Leben für die Rechte der Schwarzen ließ, änderte einiges – aber nichts daran, dass man als Schwarzer in den USA Rassismus kaum entkommen kann.

Es kommt schließlich nicht von irgendwoher, dass bereits einzelne Fälle von Polizeigewalt ausreichen, um einen Flächenbrand auszulösen. Man denke nur an Rodney King im Los Angeles der 1990er-Jahre oder an Michael Brown und Freddie Gray. Nun also Philando Castile und Alton Sterling, die jüngsten schwarzen Opfer von Polizeigewalt.

Die Geschichte hätte sich auch hier wiederholen können: Auf Proteste folgen Beschwichtigungen vonseiten der Politik und das Versprechen, die Angelegenheit zu untersuchen. Kommt es schließlich, wie so oft, zum Freispruch der Schützen, setzt es neue Demonstrationen, die mit weiteren Versprechen enden, etwa die weiße Dominanz in der Exekutive in vorwiegend schwarzen Ortschaften zu brechen – bis es den nächsten Toten gibt. So weit, so schlecht.

Nun aber kommt es zum Bruch. Unabhängig davon, aus welchem Motiv heraus die Täter in Dallas handelten, erfolgt eine Zäsur im, nun ja, Schwarz-Weiß-Denken, in dem der Täter ein weißer Polizist und das Opfer ein Afroamerikaner ist. Welche Folgen das haben kann? Im schlimmsten Fall wird der Graben zwischen "Black lives matter", der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, und "Blue lives matter", der Initiative, die einen Krieg gegen Polizisten beklagt, noch tiefer, als er derzeit schon ist. Vor allem bei republikanischen Veranstaltungen wird der "war on cops" gerne beklagt; und deren Präsidentschaftskandidat ist ja nicht bekannt dafür, ein Brückenbauer zu sein.

Es könnte aber auch zu einem Neuanfang kommen, nach dem Motto "Geteiltes Leid ist halbes Leid", um diesem Teufelskreis zu entkommen. Es ist zugegebenermaßen eine kleine Hoffnung, aber immerhin: Donald Trump hat sich bisher nicht an den hasserfüllten Postings im Netz beteiligt. Stattdessen drückte er sein Beileid aus – und zwar den Angehörigen der weißen und der schwarzen Todesopfer. (Kim Son Hoang, 8.7.2016)