Doskozil zeigt keine Berührungsängste, wenn es um die Kooperation mit der Nato geht.

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Das neue gepanzerte Gebirgsfahrzeug des Bundesheeres soll sich in Schnee und Eis, in Schlamm und Wasser bewähren – dass es Afghanistan-tauglich ist, hat es schon bewiesesn

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Wien/Warschau – Die Meldung wäre beinahe untergegangen, weil sie just an jenem 1. Juli 2016 kam, an dem ganz Österreich auf die Bekanntgabe des Verfassungsgerichtserkenntnisses zur Bundespräsidentenwahl achtete: "Das Bundesheer kauft 32 Universal geländefahrzeuge des Typs BvS 10 ‚Hägglund‘", vermeldete die Austria Presse Agentur, nannte den Preis von 85 Millionen Euro und zitierte die offizielle Aussendung des Bundesheeres: "Die neuen Fahrzeuge sind für die alpinen Verbände des Österreichischen Bundesheeres vorgesehen und sollen bei den Hochgebirgstruppen zum Einsatz kommen."

Mountain Training Warfare Initiative

Auf der Website des Herstellers BAE Systems finden sich allerdings weitere Details: "Der BvS 10 wird auch eine Rolle im österreichischen Programm der European Union Mountain Training Warfare Initiative (EU MTI) spielen."

Dieser Initiative ist Österreich bereits 2012 unter Verteidigungsminister Norbert Darabos beigetreten, schon vorher wurden immer wieder Soldaten anderer Nationen auf dem Truppenübungsplatz Hochfilzen im Gebirgskampf ausgebildet. Im Juni des Vorjahres wurde Österreich sogar die Rolle der Lead-Nation für die EU-weite Ausbildung im Gebirgskampf zugeteilt – ganz ohne Aufregung, ganz ohne Neutralitätsbedenken.

Flaggschiff-Projekt des Bundesheeres

Denn für das Bundesheer gilt, wie für alle europäischen Armeen, dass gewisse Schwerpunkte gesetzt werden müssen, um die jeweilige Landesverteidigung effizienter zu gestalten. Das Programm läuft unter dem Motto "Pooling and Sharing" – also Zusammenlegen und Teilen von militärischen Fähigkeiten und militärischem Gerät. Die Teilstrategie Verteidigungspolitik sieht die Mountain Training Initiative als Flaggschiffprojekt des Bundesheeres im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU.

Komplementär dazu beteiligt sich Österreich auch am Nato Center of Excellence Mountain Warfare in Slowenien. Dadurch wirkt das Bundesheer an der Entwicklung von Expertenwissen und internationalen Standards mit. Ähnlich ist die Zusammenarbeit auch im Bereich der ABC-Abwehr: Da betreibt Tschechien für die Nato ein Center of Excellence in Vyškov, wo Soldaten des Bundesheeres mehr oder weniger regelmäßig die Abwehr von Kampfstoffen (oder auch von Auswirkungen ziviler Chemie- oder Atomunfälle) üben können. Demnächst wird ein Offizier der ABC-Abwehrtruppe aus Korneuburg auf einen dauerhaften Posten in Vyškov versetzt.

Doskozil will aktivere Rolle Österreichs

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) spricht sich überhaupt für eine aktive Rolle Österreichs im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus, die eine gezielte und konstruktive Partnerschaft mit der Nato einschließt. Der Status der Neutralität des Landes, "die ein ganz zentraler Faktor und ein hohes Gut für die Bevölkerung ist", sei damit in keiner Weise infrage gestellt.

"Wichtig ist, dass wir selbst Kooperationsfelder mit dem Bündnis suchen, die mit der Neutralität vereinbar sind", sagte Doskozil am Samstag nach dem zwei tägigen Nato-Gipfel in Warschau. "Wir sind ein neutraler Staat, aber Teil der europäischen Sicherheit", erklärte er. "Damit ist klar, dass wir mit der Nato kooperieren und im Reigen der Nato-Staaten einen Beitrag leisten."

Gebirgsjäger für Afghanistan

Dazu gehört etwa die von Österreich zugesagte Bereitschaft, einige Gebirgsjäger des Bundesheeres für die Schulung von heimischen Sicherheitskräften in Afghanistan zur Verfügung zu stellen. Dies sei nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Migration aus Afghanistan zu sehen. Das nun vom Bundesheer beschaffte Panzerfahrzeug BvS 10 Hägglund wurde in ähnlicher Konfiguration auch von Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und dem Herstellerland Schweden beschafft – und ist bereits in Afghanistan im Einsatz.

Der Minister betonte auch, dass Österreich im Kosovo mit 500 Soldaten in einer mit der Nato koordinierten Mission sehr engagiert sei. Das stehe außer Streit und sei international sehr anerkannt.

Doskozil war der einzige Vertreter der Bundesregierung beim Gipfeltreffen der Allianz und seiner 26 Partnerstaaten auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Darauf angesprochen, dass die meisten Länder von Regierungschefs beziehungsweise Außenministern vertreten wurden, sagte er, andere seien nur "durch Botschafter" repräsentiert gewesen.

Schweden und Finnland auf Nato-Kurs

In Warschau fiel auf, dass Schweden und Finnland, die als EU-Mitglieder bisher eine ähnlich Rolle wie Österreich spielten, sich nun auffällig stark an der Nato orientieren. Umfragen zeigen, dass es in beiden Ländern eine Mehrheit für den Nato-Beitritt gibt, für das Aufgeben der Bündnisfreiheit. Dies wird von den Parteien seit Monaten breit diskutiert.

Doskozil erklärt dazu dem STANDARD, dort gebe es "ganz andere Ängste und Zusammenhänge. Daher gibt es dort auch Schritte in Richtung der Nato." In Österreich "sehen wir diese konventionellen Bedrohungsszenarien nicht", fuhr er fort, sondern "eher im Cyberbereich oder durch Terrorismus". Daher seien auch die Sicherheitsbedürfnisse hierzulande ganz andere, und "wir gehen einen anderen Weg".

Im Zentrum der Beschlüsse der Allianz in Warschau stand die Stationierung gemischter Nato-Truppen in Osteuropa zur Abschreckung, verbunden mit der Einladung an Russland, nach dem Konflikt um die Ukraine zum Dialog zurückzukehren.

Doskozil zeigte Verständnis für diese Doppelstrategie gegenüber Russland. In den baltischen Staaten und in Polen gebe es "massive Befürchtungen". Der Minister hob aber die vor allem von Deutschland forcierte Notwendigkeit hervor, mit Moskau im Dialog eine neue Basis zu finden: "Es gibt in Europa keine nachhaltige Sicherheit, wenn Russland nicht eingebunden ist."

Keine Berührungsängste mit der Nato

Die Nato wird auch das Engagement in Afghanistan – mit österreichischer Beteiligung – fortsetzen und ihren Aktionsrahmen zur Bekämpfung des Schlepperwesens und der illegalen Migration im Mittelmeer ausbauen. Das sei unmittelbar im österreichischen Interesse, erklärte der Verteidigungsminister, der kein Hehl dar aus machte, dass er persönlich keine Berührungsängste in der Zusammenarbeit mit der Nato hat.

Sollte Großbritannien, wie angekündigt, aus der EU austreten, dann müsse die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik überdacht und "zu neuem Leben erweckt werden", glaubt Doskozil. Das Ausscheiden der Briten wäre in der Tat "ein Einschnitt", sagte er dem STANDARD, aber auch "eine Gelegenheit. Ich wünsche mir, dass man den europäischen Charakter stärker hervorhebt".

Es sei aber klar, dass es zwischen den europäischen Staaten, in der EU wie in der Nato, Unterschiede gebe. Die weitere Entwicklung werde viel diffiziler, als manche glaubten, aber: "Es gibt zwischen EU und Nato natürlich wechselseitige Bedürfnisse. Die Nato ist für die Union ganz wichtig, wie beim Einsatz in der Ägäis."

Was die Skepsis der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung gegenüber dem Militärbündnis betrifft, gibt sich der Minister pragmatisch: "Die Menschen erwarten konkrete Lösungen, wie bei der Migration, dann werden auch die Vorbehalte weniger", erklärte Doskozil, "wir müssen uns den Sicherheitsthemen widmen, die die Bevölkerung beschäftigen, dann steigt auch die Akzeptanz." (Thomas Mayer, Conrad Seidl 10.7.2016)