In der Stunde des Triumphs gab sich Norbert Hofer demütig. Ein Loblied auf den Rechtsstaat sang der mit einer zweiten Chance beglückte Präsidentschaftskandidat, nachdem der Verfassungsgerichtshof den Sieg Alexander Van der Bellens bei der Stichwahl annulliert hatte. Doch die Höchstrichter hatten kaum ihre Roben ausgezogen, da gingen die Freiheitlichen dazu über, das Vertrauen in ebenjenen Rechtsstaat zu untergraben.

Hofer tut dies, indem er Anzeigen wegen "Manipulationen" bei der Stichwahl ankündigt, obwohl der Gerichtshof keinerlei Anhaltspunkte für solche Machenschaften entdeckt hat. Gezielt hält die FPÖ damit jene Verschwörungstheorien am Köcheln, die so gut in den Mythos vom freiheitlichen Kampf gegen das alles erdrückende Machtkartell passen. Frei nach einem mehrfach recycelten Slogan Jörg Haiders: Sie sind gegen uns, weil wir für euch sind.

Einmal Staatsmann, dann wieder Scharfmacher: Hofer adaptiert seine Pose je nach Publikum und Stimmungslage. Wiederholt hat er einen Austritt Österreichs aus der Europäischen Union als realistische Variante ins Spiel gebracht; nun, angesichts der britischen Chaostage, lehnt er einen "Öxit" so eindeutig wie nie zuvor als "Fehler" ab.

Bittere Ironie: Doppelzüngigkeit ist eine jener Untugenden, derentwegen die FPÖ die "Altparteien" stets gegeißelt hat. Nun bringen es die vermeintlichen Systemveränderer in dieser Disziplin zu einer neuen Meisterschaft. (Gerald John, 10.7.2016)