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Der Image-Boost blieb aus für Präsident François Hollande, trotz des Einzugs der Bleus ins Finale.

Foto: REUTERS/Kamil Zihnioglu

Das Schlimmste an der Niederlage der Bleus war, dass am Sonntagabend überall im Land Freudenschreie und Böllerschüsse zu hören waren. Sie gingen natürlich auf das Konto von Portugiesen oder zumindest Portugiesischstämmigen, von denen in Frankreich rund eine Million leben, viele als Hauswarte oder Handwerker. In ihren Hochburgen, etwa auf Korsika und in der Pariser Mittelklasse-Banlieue, klangen ihre Hupkonzerte wie Hohn für die Ohren der Franzosen, die so siegesgewiss in das EM-Finale gegangen waren.

Auch sonst war die Enttäuschung in Frankreich riesig, ja "grausam", wie die Zeitung "Le Parisien" schreibt. Von K. o. und Keulenschlag war die Rede. Denn nach und nach hatten Griezmanns Bleus während des Turniers Statur und Selbstvertrauen gewonnen; und mit dem Erfolg gegen Deutschland spielten sie sich wie zu Zeiten Platinis oder Zidanes sogar wieder in die Herzen der Franzosen. Nach dem Halbfinalknüller gegen Deutschland sollte Portugal nur mehr die Nachspeise sein, und die Franzosen dachten nicht im Entferntesten daran, das Heimspiel im Stade de France auf dem undenkbaren zweiten Platz zu beenden.

Enttäuschung für den Präsidenten

Eine Enttäuschung ist der Finalausgang auch für den Staatspräsidenten. François Hollande hatte sämtlichen Frankreich-Spielen mit blau-weiß-roter Schärpe beigewohnt und vor den Mikrofonen eine Art Cheftrainer der Nation gespielt. Am Montag empfing er die Mannschaft trotz ihrer Niederlage zum Mittagsbuffet im Elysée-Palast.

Daraus lässt sich ableiten, wie er die Nationalelf und sich selbst bei einem EM-Triumph gefeiert hätte. Schließlich ist in zehn Monaten Präsidentschaftswahl, und Hollande sah in dem Turnier eine Gelegenheit, im Land gute Stimmung zu verbreiten und seinen eigenen Slogan "ça va mieux" (Es geht besser) zu bestätigen – nachdem die Arbeitslosigkeit ganz leicht sinkt. In den Meinungsumfragen hat der Staatschef zuletzt zwischen einem und drei Punkten zugelegt, was die Elysée-Berater als präsidialpolitischen Stimmungsumschwung deuten.

Kein "worst case"

Hollande kann auch für sich verbuchen, dass der gefürchtete "worst case" – ein Terroranschlag in einem Stadion oder einer Fanzone – ausgeblieben ist. Die anfänglichen Hooligan-Krawalle hat die französische Polizei doch noch in den Griff gekriegt. 1.550 Personen wurden laut offizieller Bilanz festgenommen, 64 des Landes verwiesen und 59 zu Haftstrafen verurteilt. Der Eiffelturm blieb am Montag allerdings wegen Vandalenakten in der nahen Fanmeile geschlossen.

Damit kann der Präsident die Pose einnehmen, die er am meisten schätzt und die ihm nach den Terroranschlägen von 2015 vorübergehend auch am besten bekam: die des schützenden Landesvaters. Insofern hat der 61-Jährige mit der EM durchaus gepunktet.

Niedrige Sympathiewerte

Seine Sympathiewerte dümpeln aber weiter auf dem historisch tiefen Niveau von 15 Prozent. Hollandes politische Aussichten sind nicht sehr günstig. Europaweit droht die Brexit-Unsicherheit, und in Frankreich protestieren linke Bewegungen weiter gegen die Arbeitsreform der Linksregierung.

Um überhaupt eine Chance zu haben, die Nominierung und Unterstützung seiner Partei zu erhalten, muss sich der Staatschef einer demütigenden Vorwahl unter mehreren Sozialisten beugen. Am Dienstag könnte bereits ein Gegenkandidat von Gewicht, Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, gegen ihn in den Ring steigen. Und bei diesem Vorwahlturnier wäre der zweite Platz gleichbedeutend mit dem letzten. (Stefan Brändle aus Paris, 12.7.2016)